Rheinische Post Hilden

Die Berliner Philharmon­iker von innen

- VON GEORG RUDIGER

Musik in Bildern: Die Fotografin Monika Rittershau­s hat das Orchester unter Simon Rattle über viele Jahre begleitet.

Simon Rattle hält den Dirigierst­ab über seinen Kopf. Auch die Bögen der Streicher fliegen in den Himmel. Das Titelbild des Fotobuches „Moving Music“über Simon Rattle und die Berliner Philharmon­iker wirkt wie eine Visualisie­rung der Überschrif­t: Bewegende Musik. Zwölf Jahre hat die Fotografin Monika Rittershau­s die Berliner Philharmon­iker auf Konzerten und Tourneen begleitet. Ihr Bildband bietet neben den Hochglanzf­otos im Konzertsaa­l auch den Blick hinter die Kulissen und erzählt vom Alltag der Musiker.

Simon Rattle hat bei den Berliner Philharmon­ikern viel bewegt – und das nicht nur im Konzert. Zu seinem Amtsantrit­t im September 2002 ließ er das Orchester in eine Stiftung überführen, was dem Klangkörpe­r größere Unabhängig­keit gewährt. Auch die Stärkung des Educationb­ereichs, die Einführung der Digital Concert Hall und die Erweiterun­g des Repertoire­s gehören zu seinen Neuerungen, wie die Kritikerin Eleonore Büning im Vorwort sagt: „Dieser dialektisc­he Ideenhecke­r, dieses smarte, ständig gut gelaunte Kommunikat­ionsgenie, dieser zähe Verhandler und große Zweifler – er kam genau zur richtigen Zeit.“

Die Fotos stützen diese Einschätzu­ng. Viele zeigen Sir Simon im vertraulic­hen Gespräch mit Musikern. Nach den Konzerten bewegt sich der Dirigent durch das ganze Orchester, um sich bei den Bläsern persönlich zu bedanken. Auch diese Momente sind verewigt, wenn er dem Solofagott­isten Stefan Schweigert die Hand schüttelt. Auf einer Doppelseit­e ordnet die Fotografin sechzehn Aufnahmen von Simon Rattle an, die ihn beim Dirigieren zeigen – auf allen Fotos lächelt er. Die Educationp­rojekte, ein Markenzeic­hen von ihm, sind leider nicht abgebildet. Schade auch, dass man aus den kurzen Interviews mit Orchesterm­usikern nichts über ihren Chefdirige­nten erfährt.

Da wird eine breite Themenpale­tte von Probespiel bis Frauenante­il im Orchester abgearbeit­et, aber nie die entscheide­nde Frage gestellt, was denn Simon Rattle als Dirigenten und Menschen kennzeichn­e und die musikalisc­he Zusammenar­beit mit ihm ausmache. Auch fehlt dem Bildband der Spannungsa­ufbau. Es gibt keine klare Dramaturgi­e, sondern die Gliederung entspricht einer losen Assoziatio­nskette von visuellen Eindrücken. Dafür lernt man fast jedes Orchesterm­itglied mit einem Foto abseits des PRBlickes kennen.

Rittershau­s fotografie­rt Klarinetti­st Alexander Bader, wie er kurz vor dem Auftritt im Frack auf Transportk­isten noch ein Nickerchen macht, oder den Solo-Bratschist­en Máté Szucs, der, auf der Open-AirBühne im zypriotisc­hen Paphos sitzend, mit einer Katze flirtet.

Diese persönlich­en Einblicke machen „Moving Music“dann doch zu einem lohnenswer­ten Bildband, der viele kleine Geschichte­n erzählt.

 ?? FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S ?? Zu Gast bei den Schlagzeug­ern: Simon Rattle bei einem Konzert des Orchesters in der Waldbühne.
FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Zu Gast bei den Schlagzeug­ern: Simon Rattle bei einem Konzert des Orchesters in der Waldbühne.

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