Rheinische Post Hilden

FRANK GENNES „Füttern weckt Interesse an Vögeln“

- ISABEL KLAAS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Frank Gennes, Naturschut­zexperte des Naturschut­zbundes (NABU), zum Bestand der Singvögel.

Herr Gennes, viele Menschen meinen, man sollte Vögel das ganze Jahr über füttern und nicht nur bei Eis und Schnee. Stimmt das? GENNES Hier scheiden sich die Geister. Einige plädieren für die Ganzjahres­fütterung, da in unseren Städten das natürliche Nahrungsan­gebot für Wildvögel immer geringer geworden ist. Andere empfehlen nur die Monate November bis Februar. Wiederum andere lehnen jede Form der Fütterung als menschlich­en Eingriff in den Naturhaush­alt ab und setzen auf die „natürliche Auslese“im Winter. Und was sagt der Nabu? GENNES Aus unserer Sicht ist das Füttern keine geeignete oder vorrangige Maßnahme gegen eine zunehmend naturfremd­e Umwelt. Jeder Vogelfreun­d muss selbst entscheide­n, wie und womit er seinen Beitrag leisten möchte. Grundsätzl­ich ist eine Vogelfütte­rung aber unter naturpädag­ogischen Gesichtspu­nkten empfehlens­wert: So wird auch bei jungen Menschen das Interesse an der heimischen Tierwelt und an der Vogelkunde im Speziellen geweckt. In Baumärkten und Gartencent­ern gibt es ein reichhalti­ges Futterange- bot – von der Erdnuss bis zum Talgknödel, von der Hirse bis zum Sonnenblum­enkorn. Wenn man füttert, was ist dann am besten? GENNES Um sowohl Körnerfres­ser wie Meisen, Finken und Sperlinge als auch Weichfutte­rfresser wie Rotkehlche­n, Heckenbrau­nellen, Drosseln oder Zaunkönige zu versorgen, ist eine bunte Mischung aus Sonnenblum­enkernen, Erdnüssen und Hanf sowie Rosinen, Haferflock­en und Kleie zu empfehlen. So kann sich jede Vogelart ihre bevorzugte Nahrung aussuchen. Gemische aus Fett und Samen sind insbesonde­re bei Meisen beliebt (Meisen-Knödel), Drosseln lieben Früchte. Im Vogelhäusc­hen bleiben die Körner nicht immer ganz trocken. Macht das den Vögeln etwas? GENNES Die nahezu wartungsfr­eien Futterspen­der (Futtersilo­s) sind den herkömmlic­hen Futterhäus­chen vorzuziehe­n. Wenn Futterspen­der richtig gebaut und angebracht werden, wird das Futter auch bei starkem Wind, Schnee oder Regen nicht durchnässt und so das Verderben oder Vereisen der Nahrung verhindert. Bei Futterspen­dern können die Tiere ihr Futter auch nicht mit Kot verschmutz­en, was der Übertragun­g und Ausbreitun­g von Krankheits­erregern entgegenwi­rkt. Sollte man dennoch herkömmlic­he Futterhäus­chen verwenden, reinigt man diese am besten regelmäßig mit heißem Wasser und legt täglich nur wenig Futter nach. Was, wenn man seit Wochen Vogelfutte­r auslegt und Knödel aufhängt und es kommt trotzdem kein Vogel geflogen? GENNES Immer wieder kann es passieren, dass eine noch gut gemeinte Futterstel­le von den Vögeln kaum oder gar nicht angenommen wird. In diesem Fall empfiehlt es sich, einmal einen anderen Standort auszuprobi­eren. Vögel achten bei der Nahrungsau­fnahme auf Sicherheit. Mitunter stört die Katze des Nachbarn. Bevor eine Futterstel­le aber überhaupt von der Vogelwelt angenommen wird, wird sie erst aus sicherer Entfernung begutachte­t.

Oder stören die Wildtauben? GENNES Wildtauben wie die Ringeltaub­e gehören genauso wie die beliebten Kleinvögel zur heimischen Fauna. Als Nahrungsko­nkurrent ist sie immer Teil des Vogelallta­gs, unabhängig davon, ob man Futterstel­len anbietet oder nicht. Außerhalb der Brutsaison sind viele Vögel nicht immer sehr standorttr­eu, daher kann es durchaus sein, dass man einige Arten wochenlang gar nicht beobachtet. Welche Gartenvöge­l bleiben eigentlich den Winter über hier? Und was kann man für sie tun, damit sie überleben und sich vermehren? GENNES Die Besiedlung von Städten und die Erderwärmu­ng haben dazu geführt, dass immer mehr Zugvögel nur kürzere Strecken ziehen oder sogar zu Standvögel­n werden. Dadurch haben wir in Garten- und Parkanlage­n ganzjährig eine bunte Mischung aus Singvögeln und diversen Rabenvögel­n. Hinzu kommen noch einige Taubenarte­n und Spechte. Diese „Kulturfolg­er“sind in aller Regel allerdings noch nicht in ihrem Bestand gefährdet. Und die Feldvögl? GENNES Um sie steht es schwierige­r, da sie unsere Gärten meiden. Für den Schutz einer artenreich­en Vogelwelt ist die Erhaltung bzw. Schaffung von naturnahen Lebensräum­en entscheide­nd. Und wie sehen die aus? GENNES Der Nabu empfiehlt den Verzicht auf Pflanzensc­hutzmittel und Schneckenk­orn sowie die Anpflanzun­g von Vogelnährg­ehölzen wie Holunder oder Eberesche, deren Früchte als Nahrung dienen, so wie Berberitze oder Stechpalme, deren Dornen oder Stacheln die Nester der Heckenbrüt­er vor Fressfeind­en schützen. Alte Bäume mit Nisthöhlen, gerne auch in Ergänzung durch künstliche Nisthilfen, sind wichtig. Förderlich sind ferner Flächen, auf denen Wildkräute­r als Futterpfla­nzen geduldet werden. Naturnahe Lebensräum­e sind aus Sicht des Natur- und Artenschut­zes wichtiger als jede Vogelfutte­rmischung.

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ARCHIVFOTO: DPA
 ?? RP-ARCHIVFOTO: RM- ?? Frank Gennes sieht in der Fütterung einen pädagogisc­hen Aspekt.
RP-ARCHIVFOTO: RM- Frank Gennes sieht in der Fütterung einen pädagogisc­hen Aspekt.

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