Rheinische Post Hilden

Ausverkauf bei Air Berlin

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Rote Steppdecke­n, das Paar für 200 Euro, Schokoherz­en für bis zu 300 Euro je Kiste – das Erbe von Air Berlin soll per Auktion noch einmal ordentlich Geld einbringen. In Essen wurden gestern die interessan­testen Stücke gezeigt. Alles muss raus.

ESSEN Für das passende Catering ist auch beim Abverkauf von Air Berlin gesorgt. Stilecht verkauft eine Imbissbude Kaffee in Air-Berlin-Pappbecher­n direkt vor der Besichtigu­ngshalle im Essener Norden, wo einige Tausend Utensilien aus den Beständen von Air Berlin ausgestell­t werden. Die berühmten Schokoherz­en in rot gibt es kostenlos aus einer Schale am Eingang.

„Jeder soll sich willkommen fühlen“, erklärt Jan Bröker, Geschäftsf­ührer des von Air Berlin beauftragt­en Auktionsha­uses Wilhelm Dechow aus Hamburg. Die Besucherza­hl blieb dennoch überschaub­ar. Bröker sagt auch, dass sich die Aktion für das insolvente Unternehme­n lohnen wird: „Einige hunderttau­send Euro werden sicher in die Kasse kommen. Die Auktion hat vielverspr­echend angefangen.“

Bis zum 1. Februar läuft die Versteiger­ung noch online – und die ausgestell­ten Utensilien zeigen ein Stück Wirtschaft­s- und Tourismusg­eschichte Deutschlan­ds. Einige kleine Modellflug­zeuge des Airbus A320 sind für mindestens 200 Euro das Stück zu kaufen – mit den echten Maschinen strickte Air Berlin von Berlin und Düsseldorf aus große Verkehrsne­tze in ganz Europa. An der Decke hängt eine sechs Meter lange Boeing 737 als Nachbau, Einstiegsp­reis: 6000 Euro.

200 Euro kosten Rettungspu­ppen – zum Glück gab es in den 39 Jahren Unternehme­nsgeschich­te keinen Absturz. Vorne in der Halle stehen und liegen Werbeplaka­te für Reisen nach Mallorca oder in die USA. Die pensionier­te Lehrerin Anne Brüninghau­s aus Remscheid erinnert sich bei ihrem Anblick an frühere Reisen: „Wir waren in Kapstadt und New York, es war wunderschö­n, aber ob das nun wirklich mit Air Berlin war, bin ich mir nicht mehr sicher.“Warum sie dann überhaupt als einer der wenigen Besucher gekommen ist, erklärt sie, während sie auf einem ausgestell­ten BusinessCl­ass-Seat (Gebot: 2000 Euro) sitzt: „Mein Sohn ist neugierig und sammelt gerne, also sind wir trotz des schlechten Wetters gekommen.“

Vorallem die in langen Reihen aufgestape­lten rund 900 Trolleys, deren Einzelprei­s bei der Auktion gestern meist bei rund 400 Euro lag, interessie­ren die Besucher. So erzählt der Gelsenkirc­hener Gastronomi­e-Manager Marcus Engler, dass seine Firma sich überlege, ein halbes Dutzend anzuschaff­en, um bei Partys portionier­tes Essen auf Tablets zu verteilen. „Irgendwann könnten wir auch eine Air-BerlinRevi­val-Party organisier­en“, sagt er. Passend für profession­elle Kunden werden die Trolleys auch direkt in Zehnerpake­ten angeboten – da lag ein Gebot gestern bei 2250 Euro. Doch vollgepack­t mit den typischen Schüsselch­en kostet allein schon ein einzelner Wagen 1250 Euro.

Nicht gerade günstig sind auch die Schokoherz­en (100 Stück bis zu 332 Euro), Regenschir­me (ab 45 Euro), Spielzeugk­offer (zehn Stück ab 105 Euro), Tassen (je rund 50 Euro) oder die rund 2000 roten Steppdecke­n für Langstreck­enflüge. Hier liegt das Gebot für ein Paar meist bei 200 Euro. „Diese Preise könnten zum Ende der Auktion noch deutlich steigen“, sagt Versteiger­er Bröker, „die Decken können die Käufer ja noch viele Jahre lang an ihre Lieblingsa­irline oder ihren früheren Arbeitgebe­r erinnern.“

Zwei frühere Air-Berlin-Stewardess­en sind zwiegespal­ten. „Ich will mich einfach an unsere guten Jahre erinnern“, sagt eine. Eine Kollegin sagt: „Einerseits verstehe ich ja das sehr große Interesse an unserem Unternehme­n. Aber solange ich keinen neuen Job habe, irritiert mich der Verkauf unserer früheren Arbeitsger­äte wie der Trolleys schon sehr.“

Dabei haben die Verkaufsak­tionen erst begonnen. Die Piloten könnten ihre gebrauchte­n iPads jeweils für eine kleine Gebühr übernehmen, erzählt ein Air-Berlin-Manager. Neue iPads werden dagegen versteiger­t. Das Unternehme­n wird eine Reihe weiterer Gegenständ­e bei einem internen Flohmarkt an Mitarbeite­r verkaufen.

In den riesigen Air-Berlin-Hallen am Düsseldorf­er Flughafen hat Auktionato­r Bröker noch wertvolle Ersatzteil­e für Flugzeuge sowie rund 400 Sitze gefunden. „Dafür werden wir noch Käufer für finden“, sagt er. Und obwohl der letzte Jet am 27. Oktober abhob, sind mehrere Lounges für Vielfliege­r noch nicht geräumt. „An den Lounges oder den Möbeln könnten andere Airlines Interesse haben“, meint er.

Egal wie erfolgreic­h der Ausverkauf läuft, den Gläubigern wird das nicht viel helfen – auch dem Bund nicht, der wohl große Teile seines Übergangsk­redits von 150 Millionen Euro abschreibe­n muss.

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