Rheinische Post Hilden

Wer Kunst mag, muss heute nach Flingern

- VON ANNETTE BOSETTI

Galerien an neun Standorten feiern gemeinsam Eröffnung. Schönewald und Van Horn haben ihre Schau von prominente­n Kuratoren einrichten lassen. Nach Flingern eröffnen Philara, „Die Große“, Rundgang und Photo-Weekend.

Der Sturm von gestern bot Rückenwind für die allerletzt­en Vorbereitu­ngen. In Flingern wird bis kurz vor sechs aufgebaut, denn heute Abend, das steht fest, werden die Freunde der zeitgenöss­ischen Kunst die Galerien stürmen, die wie immer als erste im Kunstjahr neue Ausstellun­gen zeigen. Danach kommt es Schlag auf Schlag im Kalender der Kunst. Nächste Woche schon geht „Die Große“im Museum Kunstpalas­t mit Beiträgen der Künstlersc­haft ins Rennen, am Monatsende zieht der Akademieru­ndgang vermutlich wieder Zigtausend­e an den Eiskellerb­erg. Hans Strelow stellt ab nächste Woche in Oberkassel den Düsseldorf­er Maler Ulrich Erben aus, Philara eröffnet Anfang Februar mit Barbara Kasten. Und Mitte Februar freut sich Düsseldorf auf das doppelte Foto-Festival – ein Fest der internatio­nalen Fotoszene.

Wer will sich beklagen angesichts solcher Fülle und solcher Qualität? Immer mehr Mühe machen sich einige Galeristen damit, anspruchsv­olle Ausstellun­gen anzubieten, damit sich die Anreise für auswärtige Kunstflane­ure lohnt. Sie präsentier­en nicht einfach nur Werke ihrer Künstler, sondern stellen Kontexte her und ergänzen damit das reiche Angebot von Museen und Kunsthäuse­rn in der Landeshaup­tstadt.

Besonders interessan­t ist die Ausstellun­g „The Human Condition“bei Paul Schönewald. Der Kunsthändl­er, Sammler und Galerist hat seinen Nachbarn Martin Hentschel, bis 2016 Museumsdir­ektor in Krefeld, als Kurator beauftragt, Für Hentschel war das eine tolle Herausford­erung, die Künstler seiner Zeit neu anzusehen und aus deren Intentione­n heraus ein Konzept zu entwickeln, das trägt. Spaß gemacht hat es ihm auch. Eine beinahe museale Ausstellun­g mit 50 Werken von 22 Künstlern hat er schließlic­h aufgebaut – und er konnte dafür aus dem Vollen schöpfen.

Die Namen lesen sich wie ein Who is Who der angesagten Künstlersc­haft, Thomas Ruff und Jörg Immendorff sind darunter, Günther Förg, Konrad Klapheck und Reinhard Mucha, Thomas Schütte und Katharina Fritsch – sogar Ewald Mataré taucht mit einer seltenen Druckgraph­ik auf. Schönewald stellte Hentschel seinen gesamten Bestand zur Verfügung, einige hundert Werke – das, was zu sehen und zu erwerben ist, bewegt sich im Wert zwischen 1400 und 250.000 Euro.

Hentschel, der an der Kunstakade­mie Meistersch­üler war und spä- ter Museumsdir­ektor in Krefeld wurde, hat ein Panorama unserer Zeit eröffnet. Mit dem Titel der Ausstellun­g, „The Human Condition“, bezieht er sich auf das gleichnami­ge Buch von Hannah Arendt, in dem die Theoretike­rin die Grundbedin­gungen menschlich­en Zusammenle­bens in Form von Arbeiten, Herstellen und Handeln darlegt, und das in jüngster Zeit angesichts globaler Umwälzunge­n erneut an Aktualität gewonnen hat.

Wie die Ausstellun­g vielstimmi­g vor Augen führt, reagieren Künstler auf derartige Veränderun­gen mit einem ganz eigenen Sensorium. Hentschel verfügt ebenfalls über eine solche Innensicht. Doch er hat den Künstlerbl­ick mit dem Kuratorenb­lick vermischt, stellt neue Beziehunge­n her, indem er Arbeiten verschiede­ner Künstler in Nähe oder Distanz platziert. „Ohne Zeigefinge­r“, das war ihm wichtig.

Auch Daniela Steinfeld hat für die neue Ausstellun­g „Volume imaginaire“in ihrer Galerie Van Horn einen Kurator beauftragt. Zum dritten Mal ist es Wilhelm Schürmann, der Künstlerfo­tograf und Sammler ist. Werke von Lucia Bru, Marina Faust, Ulrike Schulze – zum Teil aus seiner Sammlung und eigene Arbeiten hat er mit ausgesucht­en Positionen zusammenge­bracht. Von der Poststraße in die Ackerstraß­e gezogen ist Rupert Pfab, freilich ein alter Hase unter den Galeristen. Er hat schon das kommende Photo-Weekend im Sinn und den Fotografen Timm Rautert eingeladen. Bekannt ist er durch seine bildanalyt­ische Fotographi­e, seine Künstler-Porträts und journalist­ische wie lehrende Tätigkeit. „Ist die Fotografie ...“heißt die Schau, die den Zyklus „Crazy House“vorstellt, der 1974 in dem gleichnami­gen Pariser Club fotografie­rt wurde.

Von Köln zog es die Galeristin Linn Lünn nach Düsseldorf, damals wegen der lebendigen Kunstszene. Sie hält Man Ray und René Magritte zur Eröffnung vor. Eine Gruppenaus­stellung gibt es bei Konrad Fischer mit dem Debüt von Louisa Clement. Petra Rinck zeigt „Drop Shadow“des Künstlerdu­os Astali/ Peirce, die Galerie Conrads stellt die Berliner Malerin Tanja Rochelmeye­r vor. Bei Kadel Willborn sollen Skulpturen von Inge Mahn den Raum in Schwingung versetzen. „Polarloops“nennt Michael Cosar die Schau mit dem Fotografen Martin Klimas, die heute eröffnet wird.

An einem Abend ist das alles kaum zu schaffen. Trotz Rückenwind­s. Über die nächsten Wochen sind weitere Rundgänge Galeriebes­uche und Kunstkäufe möglich.

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FOTO: MANDA PRODUCTION­S Der frühere Krefelder Museumsche­f als Kurator der Galerie: Martin Hentschel hat bei Paul Schönewald „The Human Condition“arrangiert.

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