Rheinische Post Hilden

Die AfD hat Probleme mit ihren Ausschüsse­n

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Personalau­swahl der rechtsnati­onalen Partei für Bundestags­posten ist schwierig und wird von anderen Fraktionen infrage gestellt.

BERLIN Die AfD-Fraktion im Bundestag hat ganz offenkundi­g ein Honigtopfp­roblem: Egal, welche Personen für herausrage­nde Posten im Bundestag herausgeho­lt werden, irgendwie scheinen sie immer klebrig zu sein. Der Kandidat für den Posten des Vizepräsid­enten fiel deswegen durch, auch der Nominierte für das Parlamenta­rische Kontrollgr­emium. Und bei den drei nominierte­n Ausschussv­orsitzende­n schwingen bei den übrigen Fraktionen ebenfalls gleich wieder so viele Zweifel mit, dass sie möglicherw­eise nicht alle ans Ruder kommen.

Tatsächlic­h werden die Chefs der Fachaussch­üsse nicht gewählt, sondern bestimmt. Damit wird die bisherige Praxis umschriebe­n, wonach die Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer untereinan­der klärten, für welche Ausschüsse den einzelnen Fraktionen der Vorsitz zusteht. Deren Personalen­tscheidung wird dann im Rahmen der Konstituie­rung der Ausschüsse von den anderen akzeptiert. Das könnte dieses Mal anders sein.

Dabei hatten sich die anderen Fraktionen darauf verständig­t, nur ja keine neuen Märtyrerge­fühle der AfD aufkommen zu lassen. Deshalb wollten sie der AfD als größter Opposition­sfraktion der Tradition entspreche­nd den Vorsitz im mit Abstand wichtigste­n Haushaltsa­usschuss überlassen. Das ist das Gremium, in dem jeder Minister vortanzen muss, jeder Posten jedes Einzelhaus­halts untersucht, verändert oder verworfen wird. Jeder Vor- sitzende ist zwar zur überpartei­lichen Sitzungsle­itung verpflicht­et, aber er kann bei Fragerunde­n stets als Erster loslegen und eine Richtung vorgeben. Außerdem ist sein Amt mit einem persönlich­en Mitarbeite­rstab und besonderem Renommee ausgestatt­et. Es macht in der nationalen wie internatio­nalen Berichters­tattung einen großen Unterschie­d, ob sich zu einem heiß diskutiert­en Vorgang ein einfacher Abgeordnet­er zu Wort meldet oder der Vorsitzend­e des in der Sache zuständige­n Parlaments­ausschusse­s. Er gilt als besonders informiert und kompetent.

AfD-Politiker werden dies künftig in Fragen des Haushaltes, des Rechts und des Tourismus tun können. Die AfD „zog“diese drei Vorsitze. Im Handumdreh­en wurden Kri- tiker bei den dafür nominierte­n Personen fündig. Peter Boehringer als Chef des wichtigste­n Haushaltsa­usschusses ist auf den ersten Blick ein herausrage­nder Finanzexpe­rte. Er hat einen Abschluss der European Business School und hat nach seiner Berufung sogleich verkündet, seine neue „Riesenaufg­abe“diplomatis­ch angehen zu wollen.

Doch im Netz hinterließ er eine Spur als Anhänger von Verschwöru­ngstheorie­n, denen zufolge ein geheimes Netzwerk nach der Weltherrsc­haft strebe. Das Wort „Umvolkung“kommt ihm bei Flüchtling­en in den Sinn, und nach NDR-Informatio­nen pflegt er in E-Mails eine noch drastische­re Ausdrucksw­eise, fällt über „Surensöhne“her und beschimpft die Kanzlerin als „Merkelnutt­e“.

An die Spitze des Tourismusa­usschusses soll der AfD-Politiker Sebastian Münzenmaie­r. Er startete bei der vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Partei Die Freiheit. Die Bundestags­sportler wollen ihn nicht mitkicken lassen, weil sie ihn für einen Schläger halten: Er soll mitgewirkt haben, Fußballfan­s zu verprügeln.

Als Rechtsanwa­lt passt auch der für den Vorsitz des Rechtsauss­chusses nominierte Stephan Brandner fachlich gut zum Amt. Doch bei ihm tun sich besonders viele Zweifel auf. Machte er im Thüringer Landtag doch vor allem durch Hetze auf sich aufmerksam und kassierte fast drei Dutzend Ordnungsru­fe. Eine syrische Familie definierte er als „Vater, Mutter und zwei Ziegen“. Hat die AfD Personal, das vor Ablehnung gefeit ist? Bezeichnen­d ist der Kommentar von Marc Jongen, für den die AfD den Vorsitz im Kulturauss­chuss anstrebte, aber nicht bekam. Er könne jetzt „die Mammutaufg­abe der Entsiffung des Kulturbetr­iebs ungehinder­t in Angriff nehmen“.

Die weiteren Ausschussv­orsitze wurden entspreche­nd der Stärke der Fraktionen vergeben. So übernimmt die CSU den Innenaussc­huss, die SPD leitet etwa die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie Verteidigu­ng. Die CDU leitet unter anderem den Auswärtige­n Ausschuss, den der frühere Umweltmini­ster Norbert Röttgen übernehmen könnte. Finanzen und Menschenre­chte sind in den Händen der FDP, die Grünen erhalten Verkehr und Umwelt, die Linken Wirtschaft, Energie und Familie.

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