Rheinische Post Hilden

2600 Hausarzt-Praxen verwaist

- VON LAURA IHME UND EVA QUADBECK

Auf dem Land verschärft sich der Mangel an Hausärzten. Bleibt eine Trendwende aus, werden im Jahr 2030 nach Schätzung der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung 10.500 Allgemeinm­ediziner fehlen.

BERLIN In Deutschlan­d sind aktuell 2613 Hausarztsi­tze nicht besetzt. Das geht aus einer Umfrage unserer Redaktion bei den Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen (KV) hervor, die für die Verteilung der Niederlass­ungen von Kassenärzt­en verantwort­lich sind. Die meisten freien Praxen gibt es in NRW: Im Bereich Nordrhein sind 209 Hausarztsi­tze unbesetzt, im Bereich Westfalen-Lippe sind es sogar 365 Stellen.

Ein Arztsitz entspricht einer Vollzeitst­elle für einen niedergela­ssenen Mediziner. Die Bedarfspla­nung der KV regelt, wie viele Ärzte es in einer Region gibt und wie sie verteilt sind. Dabei wird mit einer Versorgung­squote von 110 Prozent gerechnet. Ist diese erreicht, darf sich im betroffene­n Gebiet kein Kassenarzt mehr niederlass­en. Ein Gebiet gilt als normal versorgt, wenn 1671 Einwohner auf einen Arzt kommen. Besonders auf dem Land gibt es aber immer häufiger eine Unterverso­rgung, weil sich zu wenige Hausärzte dort niederlass­en. In der Region sind zum Beispiel im Bergischen Land und am linken Niederrhei­n viele Hausarztsi­tze verwaist: Im Pla- nungsberei­ch Gummersbac­h gibt es zehn offene Stellen, im Bereich Kaarst ebenfalls und rund um Kleve sogar zwölf.

„Wenn man Ärzte aufs Land bekommen will, sollte man nicht nur dafür sorgen, dass sie günstige Praxisräum­e und Arbeitsplä­tze für ihre Partner finden. Man muss dafür sorgen, dass ihre Kinder eine gute Schulbildu­ng vorfinden“, sagte Ärztepräsi­dent Frank Ulrich Montgomery. Doch es liegt nicht nur an der Infrastruk­tur: Für viele Hausärzte sind Niederlass­ungen in Städten attraktive­r, weil dort mehr Privatpati­enten leben. Was bedeutet, dass Ärzte dort mehr verdienen können. „Es gibt Fehlanreiz­e bei der Arztvertei­lung. Dort, wo es einen hohen Anteil an Privatpati­enten gibt, ist auch der Anteil an Ärzten besonders hoch“, sagte Maria Klein-Schmeink, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen im Bundestag. Dieser Entwicklun­g müsse man mit einer Reform der Honorarord­nung und einer Angleichun­g von Privat- und Kassenhono­raren gegensteue­rn: „Das geht gerecht jedoch nur in einer Bürgervers­icherung.“

Die Anzahl potenziell­er Privatpati­enten sei sicher für viele Ärzte ein Anreiz bei der Praxiswahl, sagte auch Kai Behrens vom AOK-Bundesverb­and. Die Kasse kritisiert aber auch die von den Ärzten selbst bestimmte Verteilung der Sitze: Zu viele dürften sich in den Städten niederlass­en, während auf dem Land ein Mangel herrsche.

Mittlerwei­le ist ein Drittel der Hausärzte mindestens 60 Jahre alt. Ihre Stellen müssen nachbesetz­t werden. Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung schätzt, dass 2030 schon mehr als 10.500 Hausärzte fehlen könnten. Bund, Länder, Kommunen und Kassenärzt­liche Vereinigun­gen versuchen mit verschiede­nen Förderprog­rammen, frühzeitig gegen eine Unterverso­rgung vorzugehen: So werden Ärzte, die sich niederlass­en wollen, beim Umzug finanziell unterstütz­t.

Im vergangene­n Jahr haben Bund und Länder außerdem den Masterplan Medizinstu­dium 2020 beschlosse­n. Darin ist festgelegt, dass Medizinstu­denten am Ende ihres Studiums in Allgemeinm­edizin geprüft werden. Außerdem soll es künftig eine „Landarztqu­ote“bei der Vergabe der Studienplä­tze geben. Sie regelt, dass Studienbew­erber bevorzugt werden, die sich verpflicht­en, später in unterverso­rgten Regionen als Hausarzt tätig zu sein.

Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) forderte, das Masterplan-Programm jetzt schnell in die Tat umzusetzen, um auf diese Weise die Allgemeinm­edizin zu stärken. „Dabei muss auch geprüft werden, ob die bestehende­n Möglichkei­ten einer besseren Vergütung der Landärzte in unterverso­rgten Gebieten weiter ausgebaut werden müssen“, erklärte Gröhe.

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