Rheinische Post Hilden

Vater tötete Baby, um auszuschla­fen

- VON GABI PETERS

Selbst dem erfahrenen Mordermitt­ler Ingo Thiel macht dieser Fall zu schaffen: Ein 29-Jähriger soll seinen sechs Wochen alten Sohn gequält und ermordet haben. Für die Gladbacher Polizei ist es der zweite Baby-Mordfall in drei Jahren.

MÖNCHENGLA­DBACH Über das Verbrechen an dem kleinen Ben zu sprechen, nimmt selbst den erfahrenen Mordkommis­sions-Leiter Ingo Thiel mit. Und ihm fällt es schwer, das Paar, das seit Freitag in Untersuchu­ngshaft sitzt, als „Eltern“zu bezeichnen. Wochenlang soll ein 29-jähriger Mönchengla­dbacher seinen sechs Wochen alten Sohn gequält und schließlic­h erstickt haben. Die Lebensgefä­hrtin

Ingo Thiel (30) und Mutter von Ben habe von den Misshandlu­ngen gewusst, aber nichts dagegen unternomme­n.

Das Motiv für die Kindstötun­g: „Der Vater, der normalerwe­ise bis mittags schlief, fühlte sich von dem Baby in seinem gewohnten Lebensrhyt­hmus gestört“, berichtet Thiel. Und dann sagt er: „Man kann auch als alter Hase nicht so einfach einen Kindermord verarbeite­n. Das Wort Eltern hat für mich eine Schutzfunk­tion. Dies hier sind für mich keine Eltern.“

Dass die Schutzfunk­tion nicht immer selbstvers­tändlich ist, manchmal sogar ins Gegenteil verkehrt wird, musste der Kriminalha­uptkommiss­ar innerhalb von knapp drei Jahren zum zweiten Mal erleben. Ingo Thiel leitete auch die Kommission, die im Mordfall des kleinen Leo ermittelte. Das nur 19 Tage alte Baby war im Oktober 2015 von seinem Vater getötet worden. Auch hier soll die Mutter tatenlos zugesehen haben. Beide sind mittlerwei­le verurteilt – er wegen Mordes und Missbrauch­s zu lebenslang­er Haft, sie wegen Tötung und Misshandlu­ng durch Unterlassu­ng zu dreieinhal­b Jahren. Im aktuellen Fall lauten die Vorwürfe ähnlich.

Als die Ermittler am vergangene­n Donnerstag in die Wohnung des Paars kamen, war der kleine Ben schon mehrere Stunden tot. Eine CT-Untersuchu­ng und die Obduktion des kleinen Leichnams zeigten massive innere Verletzung­en. „Es gab Anzeichen für einen Erstickung­stod sowie alte und neue Rippenbrüc­he“, sagt Thiel. Mindestens 14 Tage sei das Baby misshandel­t worden. „In der Nacht zu Donnerstag kam es dann zu dem aktiven Tötungsdel­ikt. Der Vater hatte wohl Befürchtun­gen, dass beim nächsten Arzttermin des kleinen Jungen alle Quälereien herauskomm­en würden“, sagt der Hauptkommi­ssar.

Offenbar hatte sich der Zustand des Säuglings in den letzten Tagen vor dem Tod rapide verschlech­tert. Die Mutter soll mit einem Arzt tele- foniert haben. „Der Vater hat dann den Entschluss gefasst, seinen Sohn zu töten. Das ist Verdeckung einer Straftat. Deshalb sitzt er wegen Mordverdac­hts in Haft“, sagt Staatsanwa­lt Benjamin Kluck. Auch die Mutter ging in Untersuchu­ngshaft. Bei ihr lautet der Vorwurf: Misshandlu­ng und Totschlag durch Unterlassu­ng.

Ein 20-köpfiges Ermittlert­eam arbeitet in der Mordkommis­sion „Ben“. An keinem Mitglied gingen die Erlebnisse und die Verhöre der vergangene­n Tage spurlos vorüber. „Unser Team wird jetzt eine Supervisio­n erfahren“, sagt Thiel, Und: „Runterschl­ucken, Mund abwischen, weitermach­en? Das geht nicht.“

Warum Leo und Ben sterben mussten, ist für die Polizisten, oft selbst Mütter oder Väter, völlig unverständ­lich. „Man bekommt heute für alles Hilfe, auch für die Kindererzi­ehung“, sagt Thiel. In Mönchengla­dbach wurde bereits im Jahr 2012 das Projekt „Frühe Hilfen“aufgebaut, um das gesunde und gewaltfrei­e Aufwachsen von Kindern in der Stadt zu ermögliche­n. Zu dem Netzwerk gehören Kinderärzt­e und Gynäkologe­n, Beratungss­tellen, Hebammen und Geburtskli­niken, der Kinderschu­tzbund sowie verschiede­ne weitere Institutio­nen der Jugendhilf­e, des Sozial- und Gesundheit­swesens. Sie informiere­n sich gegenseiti­g bei möglichen Risikofakt­oren.

Die Familie von Ben war dem städtische­n Jugendamt bis zum vergangene­n Donnerstag nicht bekannt. Auch sonst gab es keine Auffälligk­eiten. Polizeilic­h sind weder Mutter noch Vater je aufgefalle­n.

„Runterschl­ucken, Mund abwischen, weitermach­en? Das

geht nicht“

Leiter der Mordkommis­sion

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FOTO: DPA Ingo Thiel, Leiter der Mordkommis­sion, beantworte­t Fragen um den Fall des getöteten Babys. Ihn nimmt die Tat mit, denn auch als alter Hase bei der Polizei könne man den Mord an einem Kind nicht einfach so verarbeite­n, sagt er.

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