Rheinische Post Hilden

Merkel gibt Macht ab, um Macht zu sichern

- VON KRISTINA DUNZ

Angela Merkel, die Wahlsieger­in trotz Verlusten, hat in den Koalitions­verhandlun­gen mit SPD und CSU klein beigegeben. Die beiden kleinen Partner sollen große Ministerie­n bekommen – wenn die Sozialdemo­kraten denn ihren Mitglieder­entscheid über die Fortsetzun­g der schwarz-roten Regierung gewinnen. Merkel gibt Macht ab, um ihre Macht zu sichern. Dafür trennt sie sich von ihrem loyalen Innenminis­ter Thomas de Maizière und schafft Platz für ihren großen Widersache­r Horst Seehofer. Und die von den Christdemo­kraten als eigene DNA empfundene Finanzpoli­tik legt sie in die Hände einer auf 20,5 Prozent gestutzten Partei. In Kombinatio­n mit dem Außenminis­terium könnte die SPD die Europapoli­tik der Bundesregi­erung grundlegen­d verändern. Der Wirtschaft­sflügel der Union befürchtet schon eine Vergemeins­chaftung der Schulden und trauert Wolfgang Schäuble nach, der das Geld für Deutschlan­d zusammenge­halten hat. Dass das auch bitter nötige Investitio­nen in Bildung oder die Verkehrsin­frastruktu­r verhindert hat, wird dabei allerdings verdrängt.

Merkel, seit bald 18 Jahren CDU-Vorsitzend­e, mutet ihrer Partei viel zu. Sie verlässt sich noch einmal darauf, dass sich ihre Leute auf sie verlassen. Dass sie ihr folgen, um weitere vier Jahre zu regieren. Mindestens so lange wie Rekordkanz­ler Helmut Kohl. Sind die Kompromiss­e auch noch so schmerzhaf­t. Aber die Entfremdun­g von Merkel in der Partei und im Land ist zu spüren. So wie 1998 viele nach Kohls 16-jähriger Kanzlersch­aft schon deshalb einen Wechsel wollten, weil sie Sehnsucht nach etwas Neuem oder auch nur Anderem hatten, so mehren sich solche Stimmen auch jetzt. Noch ist eine Revolte gegen Merkel unrealisti­sch. Doch ihr Rückhalt bröckelt. Stellen wir uns aber mal dieses Szenario vor: Merkel hätte die Koalitions­verhandlun­gen platzen lassen, weil sie das Finanzmini­sterium nicht gegen das Wirtschaft­sministeri­um getauscht hätte. Deutschlan­d stünde vor Neuwahlen, das Image der stabilen Verhältnis­se wäre im Inland wie im Ausland dahin. Die AfD fühlte sich bestätigt. Das Entsetzen über Merkel wäre groß. Denn mit einem Satz hat die 63-Jährige sicher vielen aus dem Herzen gesprochen: Die Menschen wollen erstens endlich eine neue und zweitens eine stabile Regierung. Dafür kann sie vor allem auf eine Frau zählen: Andrea Nahles. Merkel schätzt die Sozialdemo­kratin als vertrauens­würdige und kluge Polit-Managerin. Wenn die SPD-Basis für die Groko stimmt, ist das vor allem Nahles zu verdanken. Und dann wird sie für die CDU eine Gefahr. Die 47-Jährige erneuert ihre Partei nämlich schon. BERICHT

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