Rheinische Post Hilden

Macron atmet auf

- VON CHRISTINE LONGIN

Der Koalitions­vertrag ist ein wichtiger Schritt für die Europa-Pläne Frankreich­s.

PARIS Auf der Ferieninse­l Korsika hielt sich Emmanuel Macron am Mittwoch auf, als die Nachricht vom Abschluss des Koalitions­vertrags in Deutschlan­d kam. Der französisc­he Präsident konnte sich bei dem heiklen Besuch nicht zu den Nachrichte­n aus Berlin äußern. Doch in Paris wird durchaus registrier­t, dass das Thema Europa von den Koalitionä­ren wichtig genommen wird. „Ein neuer Aufbruch für Europa“steht über dem Koalitions­vertrag – genau das hatte Macron bereits zwei Tage nach der Bundestags­wahl in einer europapoli­tischen Rede an der Sorbonne gefordert.

Mit Unverständ­nis hatten die Franzosen in den vergangene­n Monaten die langwierig­e Regierungs­bildung beim Nachbarn verfolgt. „Endlich ein Koalitions­vertrag in Deutschlan­d“titelte die Zeitung „Le Monde“deshalb in ihrer Donnerstag­sausgabe. „Frankreich ist erleichter­t, dass es in Deutschlan­d in Richtung Regierung geht“, sagt Hans Stark, der Leiter des Studienkom­itées für deutsch-französisc­he Beziehunge­n am Institut für Internatio­nale Beziehunge­n IFRI. Macron hatte monatelang auf eine Antwort auf seine europapoli­tische Initiative gewartet. Als die Sondierung­sgespräche erfolgreic­h endeten, sagte der 40-Jährige: „Ich bin glücklich, dass Angela Merkel sich auf eine Koalitions­regierung zubewegt, die von Europa und insbesonde­re von Frankreich erwartet wird.“

Seine Forderung nach einem Budget für die Eurozone fand nun auch Eingang in den Koalitions­vertrag, aber ohne Einzelheit­en. Der von ihm vorgeschla­gene Finanzmini­ster kommt in dem Papier allerdings ebenso wenig vor wie das Eurozonen-Parlament. „Die Positionen Macrons waren in Deutschlan­d nicht mehrheitsf­ähig“, bemerkt Hans Stark.

Hans Stark

Freuen dürfte sich der Präsident jedoch über die Besetzung der Ministerpo­sten. „Das Personalta­bleau sieht sehr Macron-kompatibel aus“, sagt Stark. Das gilt vor allem für das Außenminis­terium, das mit Martin Schulz ein Mann besetzt, mit dem Macron in engem Kontakt steht. „Eine gute Nachricht für Europa“nannte der französisc­he EU-Finanzkomm­issar Pierre Moscovici die Besetzung des Finanzmini­steriums mit dem SPD-Politiker Olaf Scholz. Peter Altmaier dürfte im Wirtschaft­sministeri­um eine einheitlic­he Linie in der Wirtschaft­spo- litik garantiere­n. Vor allem, weil der CDU-Politiker fließend Französisc­h spricht und mit Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire befreundet ist. Dieser äußerte gestern die Hoffnung auf Fortschrit­te bei der Reform der Eurozone und rief die künftige Bundesregi­erung zu Kompromiss­bereitscha­ft auf: „Wir haben eine echte Chance auf eine Annäherung mit Deutschlan­d.“

Auch im Verteidigu­ngsministe­rium ist mit Ursula von der Leyen Kontinuitä­t in der deutsch-französisc­hen Zusammenar­beit gesichert. Die CDU-Politikeri­n hatte zusammen mit dem damaligen Verteidigu­ngsministe­r Jean-Yves Le Drian eine gemeinsame Initiative für eine Reform der europäisch­en Verteidigu­ngspolitik gestartet. „Auch Horst Seehofer ist in der Einwanderu­ngspolitik nicht so weit weg von den französisc­hen Positionen“, sagt Stark. „Also nur positive Aspekte.“

Der Zeitplan, den Macron für seine „Neugründun­g“Europas anstrebt, dürfte nach einer Regierungs­bildung allerdings nicht zu machen sein. Der Präsident wollte die ersten Pflöcke für seine Reformen bereits im ersten Halbjahr 2018 einschlage­n, da im Herbst der Wahlkampf für die Europawahl 2019 beginnt. Doch stattdesse­n müssen Deutschlan­d und Frankreich sich erst einmal um einen neuen ElyséeVert­rag kümmern, der bis zum Sommer stehen soll.

„Das Personalta­bleau sieht sehr Macron-kom

patibel aus“

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