Rheinische Post Hilden

Die Ruhe vor den Narren

- VON NATALIE URBIG

Die Stadtbibli­otheken haben Altweiber geöffnet. Wer an diesem Tag dort ist, hat mit Karneval nicht viel zu tun.

Wer an Altweiber in die Zentralbib­liothek möchte, muss sich durchkämpf­en. Es ist kurz nach 13 Uhr, die närrische Stunde hat längst geschlagen, und auf dem Bertha-vonSuttner-Platz stehen Kostümiert­e in Gruppen zusammen.

Doch schon im Vorraum der großen Bibliothek wird es ruhiger. Nur eine Hippiedame, die gerade in der Nähe war, nutzt die Gelegenhei­t, schnell einige ihrer Bücher zurückzubr­ingen. Nach neuen Büchern möchte sie heute aber nicht mehr stöbern. „Wer feiern geht, kann nicht mehr lesen, und wer nicht gern feiert, kann hier die Ruhe genießen“, sagt sie.

Tatsächlic­h ist es in der Bücherei auffallend still. Gedämpfte Gespräche schwirren durch die Luft, Blätter rascheln, und Kugelschre­iber kritzeln auf Papier. „Es ist ein wenig ruhiger als an den üblichen Tagen“, sagt Diana Bengel, stellvertr­etende Leiterin der Zentralbib­liothek. Gemerkt habe sie das schon, als elf Minuten vor elf Uhr elf die Türen geöffnet wurden. „Die Menschen strömten nicht wie sonst hinein“, erzählt sie. „Die Jecken werden heute wohl feiern. Ich hoffe, sie sind nicht nach Köln gefahren.“Während in der oberen Etage einige Schüler und Studenten eifrig lernen, verkündet ein Aufstellsc­hild im Erdgeschos­s, dass die fünfte Jahreszeit gekommen ist. Auf einem Tisch wurde ein passendes Literatura­ngebot ausgelegt. Von Büttenrede­n bis zu letzten Kostümtipp­s finden die Karnevalis­ten dort alles, um sich noch in letzter Minute auf die jecken Tage vorzuberei­ten. Die Nachfrage scheint allerdings gering.

An Altweiber ist die Stadtbibli­othek narrenfrei­e Zone. So ist die Gefahr relativ gering, beim Schlendern durch die Gänge plötzlich auf Monster, Vampire, Giraffen und Tiger zu treffen. Nur in der Kinderabte­ilung sitzt eine kleine Prinzessin und schmökert in einem Buch. „Wir hatten heute aber auch schon Besuch von einer Wonderwoma­n“, sagt Bibliothek­arin Michaela Hutz- heimer. Wer an diesem Tag die Bibliothek aufsucht, hat mit Karneval „nicht viel am Hütchen“, wie Martha Stahl sagt. Sie hat es sich auf den Treppen im „Lesefenste­r“der Bibliothek bequem gemacht und liest in der „Zeit“. „Ich komme aus Stuttgart, da gibt es nur den Karnevalsd­ienstag.“Sie sieht von der Zeitung auf und blickt sich in dem Lesesaal um. „Ich habe aber schon den Eindruck, dass hier sonst mehr los ist.“

Beim Verlassen der Bibliothek ist Karnevalsm­usik zu hören, ein Trupp brauner Bären zieht vorbei und erinnert daran, dass Altweiber ist. Am Rosenmonta­g bleibt die Bibliothek übrigens geschlosse­n.

 ?? FOTO: URBIG ?? Martha Stahl ist kein Jeck und geht gerne in die Bibliothek.
FOTO: URBIG Martha Stahl ist kein Jeck und geht gerne in die Bibliothek.

Newspapers in German

Newspapers from Germany