Rheinische Post Hilden

Pastorin zur Fastenzeit: Kneifen gilt nicht

- DIE FRAGEN STELLTE SCHMIDT-ELMENDORFF DOROTHEE

INTERVIEW TANJA KRASKI

„Sieben Wochen ohne Kneifen“ist das Motto zur Fastenakti­on der Evangelisc­hen Kirche.

Das Wort „ohne“impliziert eher Verzicht, aber offenbar geht es hier um aktives Handeln...können Sie die Aktion erläutern? TANJA KRASKI Die Aktion selber ist in den 80er Jahren entstanden, an einem Stammtisch zwischen Journalist­en und Theologen in Hamburg, weil wir Protestant­en die Fastenzeit ja eigentlich nicht so wie die Katholiken kennen. Die Aktion „7 Wochen ohne“will erreichen, dass Menschen diese Zeit vor Ostern bewusst wahrnehmen, sie nutzen, um gezielt ein anderes Verhalten einzuüben. Im Grund gibt es diesmal zwei Leitthemen: Zeig Dich und Sieben Wochen ohne Kneifen: Denn es gibt Situatione­n, wo es wichtig ist, sein Gesicht zu zeigen und Stellung zu beziehen. Wo man sich nicht wegducken sollte, um etwa für einen Schwächere­n einzustehe­n. Wo man sich mit seinen Ansichten positionie­ren und dabei auch in Kauf nehmen muss eventuell anzuecken. Das Ganze hat auch eine theologisc­he Dimension: Es geht auch darum, nicht vor Gott zu kneifen, notfalls mit ihm zu ringen. Gibt es für Sie im Alltag Situatione­n, wo Sie versucht sind „zu kneifen“und sich besonders wappnen müssen? KRASKI Das Motto passt sehr gut zu mir, weil ich ein Harmonieme­nsch bin und eher den Ausgleich als die Konfrontat­ion suche. Für mich ist also wichtig, dass ich in den kommenden Wochen nicht vor der offenen Konfrontat­ion kneife. Ich werde versuchen, stärker mein Gesicht zu zeigen und mich bewusst in die Diskussion zu begeben. Welche Personen, die nicht gekniffen haben, kennt die Bibel? KRASKI Selbst Jesus hat kurz vor der Kreuzigung im Garten Getsemani seinen Vater gebeten, den Kelch an ihm vorübergeh­en zu lassen. Und er ist dann doch konsequent seinen Weg bis zum Schluss gegangen. Und es gibt in Genesis 32 die Stelle, wo Jakob am Fluss Jabbok Gott in Gestalt eines Mannes begegnet und hart mit ihm ringt und ihn erst wieder loslässt, nachdem der ihn gesegnet hat. Manchmal müssen wir also auch Gott herausford­ern. Auch Simon Petrus hat ja Jesus dreimal verleugnet. Er hat gekniffen. „Zeig Dich!“heißt es auf dem Werbeplaka­t für die Aktion: Im Grunde gehört das „sich Präsentier­en“zumindest für die junge Generation heute zur täglichen Übung, Selfies zu machen und hochzulade­n. Was würden Sie Ihren eigenen Kindern dazu mit auf den Weg geben? KRASKI Bei Instagram wird nicht das wahre Ich gezeigt, sondern nur ein retuschier­tes, bearbeitet­es Bild, das wir von uns vermitteln wollen. Ich versuche meinen Kindern zu sagen: Besinn Dich doch darauf, wer Du bist und was in Dir steckt. Mit meinem Ältesten bin ich deshalb oft in der Diskussion. Für ihn ist einfach wichtig, was die anderen von ihm halten. Aber es ist eben oft ein angegliche­nes Bild. Leben wir in einer Zeit, die wieder mehr Debatten nötig macht? KRASKI Ich habe den Eindruck, dass es bei Diskussion­en heute schneller darauf ankommt, auf einen gemeinsame­n Nenner zu kommen.. Es wird weniger diskutiert als kommentier­t und bewertet. Tiefgründi­ge Debatten gibt es kaum mehr. Wer nur kommentier­t, erwartet auch keine wirkliche Gegenrede. Niemand traut sich, einen wirklichen Standpunkt zu beziehen, um sich nicht angreifbar zu machen. Dann müsste man seinen Standpunkt ja auch begründen.

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FOTO: RM- Tanja Kraski ist Pfarrerin in Monheim.

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