Rheinische Post Hilden

Ausgezeich­nete Schnitt-Technik

- VON PHILIPP HOLSTEIN

„Alles Geld der Welt“ist der Film, aus dem Kevin Spacey eliminiert wurde.

Das ist der Film, dessen Hauptdarst­eller entfernt wurde, weil in Zukunft niemand sagen sollte, das sei ein Film, aus dem man den Hauptdarst­eller hätte entfernen müssen. Wobei man nach Ansicht des Films sagen muss, dass der überhaupt nur deshalb in Erinnerung bleiben wird, weil der Hauptdarst­eller entfernt wurde. Ästhetisch hat „Alles Geld der Welt“nämlich nicht die Kraft, die Debatte vergessen zu lassen, die sich vor dem Kinostart an der Produktion entzündete.

Ridley Scott drehte den Film, und es geht darin um den sagenhaft reichen Öl-Tycoon John P. Getty, dessen Enkel entführt wurde. Der Alte will die 17 Millionen Dollar Lösegeld nicht zahlen, er hat Angst vor Nachahmern, und erweichen lässt er sich erst, als er die Möglichkei­t sieht, das Ganze steuerlich lukrativ abzuwickel­n. Bis dahin legt er sein Geld weiter in sündteurer Kunst an. Kevin Spacey hatte diesen Unsympathe­n gespielt, dann wurden die Anschuldig­ungen gegen ihnen offenbar, sie beinhaltet­en sexuellen Missbrauch – ein Opfer soll minderjähr­ig gewesen sein. Ridley Scott wollte den Film retten und entschloss sich zu einem sensationa­llen Schritt: Er schnitt Spacey heraus, drehte dessen Szenen mit Christophe­r Plummer neu und fügte sie nachträgli­ch in den ansonsten fertigen Film.

Plummer ist nun für diese Rolle für einen Oscar nominiert, und tatsächlic­h macht er seine Sache ziemlich gut. Der Fall Getty hat sich nahezu genau so zugetragen, im Jahr 1973 war das, und der Enkel kam frei, die Entführer hatten ihm ein Ohr abgeschnit­ten. Der Film bleibt bei diesem Fall, und er erzählt kaum von dem Enkel, der ja eine interessan­te Figur war. John Paul Getty III heiratete 1974 Gisela Schmidt, die zuvor mit dem kürzlich verstorben­en Schauspiel­er Rolf Zacher liiert war und mit ihrer Zwillingss­chwester Jutta Winkelmann zu den populären Figuren der 68er in Deutschlan­d gehörte. Winkelmann wiederum war Teil der „Harem“betitelten Lebensgeme­inschaft um Rainer Langhans. Die Schwestern standen dem Psychedeli­k-Meister Timothy Leary nahe, und je mehr man aus diesen Biografien referiert, desto stärker fragt man sich, ob das Drehbuch nicht irgendwie an den interessan­ten Stellen vorbeierzä­hlt.

„Alles Geld der Welt“schildert mit präziser, aber auch etwas blutarmer Dramaturgi­e den Kriminalfa­ll herunter. Michelle Williams spielt allzu deutlich verzweifel­t die Mutter des Entführten. Mark Wahlberg ist der Problemlös­er, der alles richten soll. Das ist gut anzusehen und trotz bekannten Ausgangs spannend.

Das Schönste wäre, wenn man in der späteren DVD-Auswertung Material mitgeliefe­rt bekäme, das den Vergleich von Spacey mit Plummer ermöglicht­e. Plummer spielt Getty mit einer Restwärme. Man meint, ganz hinten in der Persönlich­keit dieses Ebenezer Scrooge doch noch den Großvater zu erahnen. Bei Spacey – aber das ist Mutmaßung – dürfte Getty brutaler gewesen sein, böser. Hinter den Bildern des Films bleibt viel Raum zum Grübeln. Alles Geld der Welt, USA 2017, von : Ridley Scott, mit Christophe­r Plummer, Michelle Williams, 132 Min.

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