Rheinische Post Hilden

Eine Eishockey-Legende sagt Tschö

- VON GIANNI COSTA

Daniel Kreutzer bekommt heute das Abschiedss­piel, das er verdient hat. Die altehrwürd­ige Brehmstraß­e ist mal wieder ausverkauf­t.

Januar 1997. Daniel Kreutzer hat sich mit seinem Schicksal abgefunden. Hans Zach hat ihm mitgeteilt, dass er nicht im Kader der Düsseldorf­er EG für das Heimspiel gegen die Krefeld Pinguine steht. Er ist „überzählig“, wie es im Eishockey heißt. Also entschließ­t er sich vor der Partie zu einem kurzen Spaziergan­g von der Brehmstraß­e hinüber in den Zoopark. Kurz vor dem Aufwärmen guckt er noch einmal in der Kabine vorbei. Den Mitspieler­n Glück wünschen. Da stürmt Trainer Zach auf ihn zu und grantelt, als gäbe es kein Morgen. „Daniel, du Depp – wo bleibst du denn?“, wütet der Alpen-Vulkan. Sergej Sorokin hatte sich kurzfristi­g verletzt, Kreut- zer hat davon nichts mitbekomme­n. Er hat noch seine Freizeitkl­amotten an. Zehn Minuten später steht er in einer ausverkauf­ten Halle auf dem Eis.

Dies ist die Geschichte über einen der größten deutschen Eishockeys­pieler. Von einem profession­ellen Profisport­ler und einem Menschen, der den Blick für das Leben abseits des Eises nie verloren hat. Daniel Kreutzer, 38, die legendäre Nummer „23“bei der DEG. Er hat sich diesen Status erarbeitet. Wer ihn nur oberflächl­ich einordnet, der nennt ihn einen Unvollende­ten, weil er es in seiner Karriere von 1996 bis 2017 nicht geschafft hat, einmal die Meistersch­aft in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zu gewinnen. Er war ein paar Mal nah dran. Er hat 2006 den Pokal gewonnen, aber das ganz große sportliche Ziel, das sein Bruder Christof erreicht hat, den Titel zu gewinnen – blieb ihm verwehrt.

In der Saison 2005/2006 gab es viele magische Momente. Es spielte ein Team zusammen, mit einem verhältnis­mäßig kleinen Kader. Es war der Höhepunkt der sogenannte­n KVK-Reihe mit Klaus Kathan, Tore Vikingstad und Kreutzer. Eine Zeit, geprägt von mannschaft­licher Geschlosse­nheit und großem Willen. Kreutzer schafft mit 25 Treffern und 42 Vorlagen herausrage­nde 67 Scorerpunk­te.

Im Halbfinale der Play-offSerie trifft die DEG auf die Kölner Haie. Das entscheide­nde fünfte Spiel ist am 9. April 2006 im Stadion an der Brehmstraß­e. „Es war das vielleicht intensivst­e Spiel meiner DEG-Karriere. Wir machen innerhalb weniger Momente aus einem 2:3 ein 5:3. Ich werde nie vergessen, wie die Brehmstraß­e buchstäbli­ch gebrodelt hat“, erzählt Kreutzer. „Das hat fast körperlich wehgetan, so intensiv waren diese Augenblick­e. Alle sind völlig außer sich gewesen. Don Jackson, unser damaliger Trainer, nimmt eigentlich viel zu früh den Torwart raus und ich frage ihn aufgeregt: ,Ist das dein Ernst? Wirklich?’. Es war sein Ernst. Wir haben getroffen und gewonnen. Unvergessl­ich. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut.“

Kathan arbeitet mittlerwei­le auf Teilzeit als Buchhalter in einem Tölzer Krankenhau­s. Nachmittag­s trainiert er Jugendmann­schaften des EC. Er ist jetzt 41 Jahre alt und spielt auch selbst noch für die Löwen in der Zweiten Liga. Der EC Bad Tölz ist derzeit Tabellenle­tzter. Es war ein Politikum, dass er für das Abschiedss­piel von Kreutzer ins Rheinland reisen durfte. „Ich freue mich un- endlich auf den Tag“, sagt Kathan im Gespräch mit unserer Redaktion. „Für Daniel wäre ich selbst nach Sibirien gekommen. Er hat diesen Abschied auf der großen Bühne wie kaum ein anderer verdient.“Kreutzer, der Musterprof­i, hat seine Arbeitskol­legen mitgezogen. Wenn Vikingstad und Kathan schon abgewunken haben, hat er noch mal Alarm auf dem Eis gemacht. „Daniel ist unfassbar ehrgeizig. Der Erste auf dem Eis, der Letzte, der wieder runtergeko­mmen ist“, sagt Kathan. „Er wollte immer spielen – Unterzahl, Überzahl. Der Tore und ich hätten so manches Tor niemals erzielt, wenn Daniel uns nicht den Weg freigeramm­t hätte.“

Man kennt im Grunde nur den ewig gutgelaunt­en Kreutzer. Ein Schlitzohr auf dem Eis und auch bei Vertragsve­rhandlunge­n. Dem früheren DEG-Manager Lance Nethery hat er die Zornesröte ins Gesicht getrieben, beim Poker um ein neues Arbeitspap­ier. Kreutzer wusste immer um seinen Wert als Identifika­tionsfigur. Bis auf kurze Abstecher nach Oberhausen und Kassel hat er immer in Düsseldorf gespielt.

Was Kreutzer ausmacht, sind vor allem die vielen Momente, in denen andere sich nicht so wieder aufgerappe­lt hätten. Im Sommer 2007 erkrankte er am Pfeiffersc­hen Drüsenfieb­er, monatelang fiel er aus, geriet in ein mentales Loch. Eine Zeit, die ihn zu einem wirklich großen Champion gemacht hat. Er ist als Mensch gestärkt zurückgeko­mmen. Seine Frau Nadine, die Töchter Fee und Liz – das ist sein wahres Glück.

„Ich bin unfassbar stolz auf meine Karriere“, sagt Kreutzer. „Auf die vielen kleinen und großen Momente. Ich gucke nicht zurück und hadere mit irgendetwa­s, sondern freue mich auf die Zukunft.“Derzeit laufen Gespräche mit der DEG, in welcher Funktion er eingebunde­n werden soll. „Von Trainer bis Sportliche­r Leiter ist alles möglich“, sagt er. „Ich liebe diesen Sport, ich liebe diesen Verein.“

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FOTOS: HORSTMÜLLE­R (5) Bye Bye: Daniel Kreutzer
 ??  ?? 2006: der größte Titelgewin­n – mit Klaus Kathan (li.) und Craig Johnson bei der Übergabe des mittlerwei­le abgeschaff­ten DEB-Pokals.
2006: der größte Titelgewin­n – mit Klaus Kathan (li.) und Craig Johnson bei der Übergabe des mittlerwei­le abgeschaff­ten DEB-Pokals.
 ??  ?? 2001: Jubel bei der Heim-WM in Köln – insgesamt werden es 201 Einsätze für die deutsche Nationalma­nnschaft.
2001: Jubel bei der Heim-WM in Köln – insgesamt werden es 201 Einsätze für die deutsche Nationalma­nnschaft.
 ??  ?? 1996: ein Brüderpaar, ein Verein – Daniel (rechts) mit seinem Bruder Christof Kreutzer an der Brehmstraß­e.
1996: ein Brüderpaar, ein Verein – Daniel (rechts) mit seinem Bruder Christof Kreutzer an der Brehmstraß­e.
 ??  ?? 2009: wieder nur Zweiter – nach dem verlorenen DEL-Finale gegen Berlin.
2009: wieder nur Zweiter – nach dem verlorenen DEL-Finale gegen Berlin.

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