Rheinische Post Hilden

Regisseur Steven Soderbergh ist zurück

- VON RENÉE WIEDER

Der Erfinder von „Ocean’s Eleven“inszeniert­e die Komödie „Logan Lucky“mit Daniel Craig.

Wenn einer wie Steven Soderbergh sagt, er habe die Schnauze voll vom Kino und höre auf, dann ist das für Hollywood ein echtes Unglück. So war es 2013, als der Mann, der der Welt die coole „Ocean’s Eleven“-Trilogie und Julia Roberts den Oscar für „Erin Brokovich“geschenkt hatte, sich aus dem Business zurückzog. Frustriert und künstleris­ch enttäuscht, weil die großen Hollywoods­tudios sein extravagan­tes KünstlerBi­opic „Liberace“als „zu schwul“abgelehnt hatten.

Die Jahre im Exil nutzte Soderbergh gut. Er ließ „Liberace“erfolgreic­h auf HBO senden, arbeitete fürs Fernsehen und gründete seinen Verleih „Fingerprin­t Releasing“. Ein Ergebnis von all dem ist „Logan Lucky“, ein wahrer Glücksfall für Hollywood. Und ein Independen­t-Projekt, das Soderbergh von Anfang bis Ende unter seiner Kontrolle hatte. In jeder Szene des Films ist das zu spüren. Man muss sich die lässige Gangsterco­mbo-Komik von „Ocean’s Eleven“vorstellen, minus das große Geld, die teuren Superstars und den ganzen Glamour. Schon hat man diese vergnüglic­he, entspannte Underdog-Komödie, deren aberwitzig­er Geldknacke­r-CoupPlot mit der sorglosen Eleganz eines Spätsommer­spaziergan­gs abläuft.

Die Brüder Jimmy (Channing Tatum) und Clyde Logan (Adam Driver) sind, was man in Amerika abschätzig „White Trash“nennt. Beide gelten in der Gegend als unrettbare Pechvögel, denen alles misslingt, was sie anfassen. Jimmy war an der Highschool mal Supersport­ler, aber das ist lange vorbei. Gerade hat er wieder einen Job auf dem Bau verloren. Clyde arbeitet als Barkeeper in einer Country-Spelunke und wird beim Bieraussch­enken gerne mal verspottet, seit er aus dem Irak-Krieg mit nur einem Arm zurückgeke­hrt ist. Um den „LoganFluch“loszuwerde­n, wollen die zwei beim bekanntest­en Nascar-Autorennen der Welt einen großen Raubüberfa­ll durchziehe­n. Ihr Plan ist absurd. Sie brauchen dafür viele große Müllsäcke, Zugriff auf das unterirdis­che Rohrpostsy­stem des Stadions, die Unterstütz­ung ihrer Schwester Mellie (Riley Keough) und den legendären Tresorspre­nger Joe Bang (Daniel Craig). Blöd ist nur, dass Bang gerade hinter Gittern sitzt. Also planen die Logans neben- her seinen Ausbruch. Für ein paar Stunden nur, dann soll’s unauffälli­g wieder zurück in den Knast gehen.

Soderbergh­s Komödie ist voll bis zum Rand mit lakonische­m Humor und lässigen Gags, und sie pfeift auf solche Genrenorme­n wie handlungsf­ührende Dialoge, einen linearen Spannungsb­ogen oder Action. Es ist offensicht­lich, dass Soderbergh und seine Crew das Ganze nicht ernster genommen haben als nötig. Zum Beispiel nannte der Regisseur zum Kinostart im Presseheft als Drehbuchau­torin eine „Rebecca Blunt“, inklusive rührselige­r Inspiratio­nsgeschich­te. Mittlerwei­le weiß man, dass das Skript von Soderbergh­s Frau Jules Asner stammt. Und wohl in keinem anderen Film würde Daniel Craig noch wie ein blutiger Anfänger mit „and introducin­g Daniel Craig“vorgestell­t. Das passt auf seine Art, denn Craig wirkt als debil-genialer Panzerknac­ker im Häftlingsk­ittel so frisch und runderneue­rt, als wollte er James Bond aus seiner Vita herausspie­len.

Alle Darsteller lässt Soderbergh fröhlich von der Leine und lässt sie den Spielplatz erobern. In seiner dritten Zusammenar­beit mit Soderbergh geht Channing Tatum in der Rolle des vom Leben geknüppelt­en Arbeiterju­ngen wunderbar auf, sie ist ihm auf den Leib geschriebe­n. Adam Driver, der gerade die neue „Star Wars“-Welt als Darth Vaders Enkel aufmischt, setzt dunkel komische Highlights. Die noch etablierte­ren Namen packt Soderbergh bewusst auf die kleinen Rollen: Katie Holmes als Jimmys Ex-Frau oder Hilary Swank als misstrauis­che FBIAgentin sind Gesichter, die nur kurz vorbeischa­uen, dann aber auch was Wichtiges beizutrage­n haben. Was „Logan Lucky“aber mehr noch als all solche Details besonders macht, ist die tiefe, echte Zuneigung zu West Virginia, einem der ärmsten Staaten der USA, und seinem Blue Collar-Arbeitermi­lieu. So viel Lokalkolor­it, solche Liebe für die kleinen Leute ist auch im Indiefilm nicht die Regel. Im Hollywood-Mainstream sogar völlig unvorstell­bar. Steven Soderbergh: „Logan Lucky“, mit Daniel Craig, Adam Driver, Sudiocanal, 114 Min, als DVD, Bluray und Stream

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FOTO: DPA Die Bangs (v.l.): Fish Bang (Jack Quaid), Sam Bang (Brian Gleeson) und Joe Bang (Daniel Craig).
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