Autonomes Fahren könnte schon in ein paar Jahren Realität werden. Autohersteller wie Ford oder VW sind zuversichtlich, die ersten Roboter-Fahrzeuge in den Dienst stellen zu können.
Die Frage ist nicht, ob es passiert wird, sondern wann. Vor einigen Wochen stellte der Automobilzulieferer Aptiv (ehemals Delphi) aus Wuppertal zusammen mit dem UberKonkurrenten Lyft zehn vollautomatisierte Autos vor die Tür der Elektronikmesse CES in Las Vegas. Besucher konnten die Fahrzeuge per App anwählen und sich zu ihrem Hotel chauffieren lassen. Die Fahrzeit betrug zwischen zehn und 30 Minuten. Und das im normalen Straßenverkehr. Zwar saß ein Sicherheitspilot hinterm Steuer, der im Notfall hätte eingreifen können. Aber ansonsten fuhren die Autos selbstständig zum Ziel.
Das Projekt ist ein Vorbote für einen Fahrdienst, den es so in naher Zukunft in einer amerikanischen Stadt geben soll. Ford plant bereits im Jahr 2021 den Produktionsstart von selbstfahrenden Autos. Ähnlich zuversichtlich zeigt sich VW. Mit Aurora, einem Startup aus dem Silicon Valley, arbeitet man derzeit an einem intelligenten Auto. Ebenfalls 2021 sollen in den ersten Städten Autos ohne Lenkrad und Gaspedal (Level-5-Fahrzeuge) rollen. Den Zeitplan hält Prof. Stefan Bratzel vom Center of Automotive an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach durchaus für realistisch. Aus seiner Sicht sei dies der Beginn des kommerziellen Betriebs für Level-4- beziehungsweise Level-5-Fahrzeuge – wenngleich mit niedrigeren Geschwindigkeiten und getrennt vom manuell gesteuerten Verkehr. Die breite Einführung könnte dann zehn bis 15 Jahren später erfolgen, sagt Bratzel. „Es gibt allerdings zwei Probleme: hohe Geschwindigkeiten und Mischverkehr. Wenn auf den Straßen nur Roboter-Taxis fahren würden, würde die Umsetzung autonom fahrender Fahrzeuge deutlich schneller voranschreiten.“
Noch befindet sich die Automobilindustrie in der Erkun- dungsphase. Der neue Audi A8 ist das erste Serienauto der Welt, das mit Systemen für das hochautomatisierte Fahren nach Level 3 bestückt ist. Wenn der Verkehr dichter wird und das Tempo unter 60 km/h sinkt, weist das digitale Instrumentendisplay den Fahrer darauf hin, dass der Staupilot verfügbar ist. Der Fahrer müsste nur noch den AI-Knopf („Artificial Intelligence“) auf der Mittelkonsole drücken, und schon könnte er die Hände vom Lenkrad und die Füße von der Pedalerie nehmen. Soweit die Theorie. Denn noch sind die intelligenten Helfer nicht zugelassen.
Zwar haben Bundesrat und Bundestag im vergangenen Jahr einer entsprechenden Änderung im Straßenverkehrsgesetz zugestimmt, wonach automatisiertes Fahren auf deut- schen Straßen in Zukunft prinzipiell möglich sein soll. Laut Gesetz dürfen automatisierte Eingriffe bisher aber nur bis Tempo zehn (etwa zum Einparken) erfolgen. Die EU und 50 weitere Staaten weltweit erarbeiten an neuen Regeln, die das autonome und automatisierte Fahren auch bei höheren Geschwindigkeiten erlauben sollen. Dann wären Eingriffe auch bis Tempo 130 möglich.
Bei Audi rechnet man frühestens gegen Ende 2018, wahrscheinlich sogar erst 2019 mit dem Serieneinsatz des Staupiloten. Das Ärgerliche für alle, die sich bis dahin schon einen neuen A8 zugelegt haben: Eine Nachrüstung ist nicht möglich.
Derweil wird weiter getestet. Rund um Düsseldorf und Neuss ist das Projekt „Koope- rative Mobilität im digitalen Testfeld Düsseldorf“, kurz KoMo:D, gestartet. Etwa im dritten Quartal dieses Jahres soll vernetztes und autonomes Fahren erprobt werden. Die geplante Testroute erstreckt sich vom Kreuz Meerbusch über die A57 bis zum Kreuz Kaarst und von dort auf der A52 in Richtung Düsseldorf. Ab Oberkassel geht es weiter auf der B7 über die Rheinkniebrücke bis zum Anschluss an die Innenstadt. Im Fokus stehen Effizienz, Sicherheit und Umweltauswirkungen. Die Testfahrzeuge werden hoch- und vollautomatisierte Fahrfunktionen (Längs- und Querführung) übernehmen, sagt Volker Paulat, Pressesprecher der Stadt Düsseldorf. Grundsätzlich sei aber immer ein Fahrer im Fahrzeug, der jederzeit die Fahrfunktion übernehmen könne. Außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums werde im Vodafone-Parkhaus das sogenannte Valet Parking erprobt. „Hier wird das fahrerlose Fahren getestet, wobei das Fahrzeug jederzeit manuell gestoppt werden kann.“
Bratzel geht davon aus, dass autonomes Fahren 2050 Normalität sein könnte. Das heißt nicht, dass dadurch manuell steuerbare Fahrzeuge komplett verdrängt werden. „Früher gab es Pferde als Transportmittel, dann kamen Autos. Die Pferde sind nicht verschwunden, aber sie bestimmen längst nicht mehr die tägliche Mobilität.“Der Forscher glaubt eher, dass es in Zukunft speziell definierte Gebiete geben wird, in denen man weiterhin selbst fahren darf, zum Beispiel auf dem Nürburgring. Selbst am Steuer zu sitzen, könnte zu einem Freizeitvergnügen werden – so wie das Reiten. Auf jeden Fall werde sich das Mobilitätsverhalten ändern. Die „Freude am Fahren“wird zu einer „Freude am Gefahren werden“. „Jeder von uns wird eine Art Mobilitätsflatrate haben, ähnlich einer Handyflatrate, und künftig per Car-on-demand-Service sein Fahrzeug bestellen, das ihn ans Ziel bringt“, meint Bratzel. Das wäre günstiger und bequemer. „In Westeuropa verbringen wir heute schon im Schnitt vier Jahre und einen Monat hinterm Lenkrad. Diese Zeit könnten wir demnächst anders nutzen, zum Beispiel um zu schlafen oder um zu arbeiten.“
Noch sind viele der intelligenten
Helfer im Straßenverkehr nicht zugelassen
Selbst am Steuer zu sitzen, könnte in Zukunft zu einem Freizeitvergnügen
werden