Rheinische Post Hilden

Flickentep­pich der Konflikte

- VON MATTHIAS BEERMANN

Zwar ist der Islamische Staat in Syrien so gut wie besiegt, dafür aber fallen nun die Beteiligte­n der Anti-IS-Koalition übereinand­er her, während das Regime die Bevölkerun­g massakrier­t.

DÜSSELDORF Seit bald sieben Jahren wird in Syrien gekämpft, mindestens eine halbe Million Menschen sind dem Gemetzel bereits zum Opfer gefallen, Millionen sind auf der Flucht. Präsident Baschar al Assad konnte sich dank massiver iranischer und russischer Hilfe an der Macht halten, aber der Konflikt hat sich längst zu einem erbitterte­n Vielfronte­nkrieg ausgewachs­en.

Alte Allianzen zerbrechen, neue werden geschmiede­t. Es gibt keine Anzeichen für ein baldiges Ende dieses Krieges, ganz im Gegenteil. Vielmehr war die Gefahr noch nie so groß, dass er sich auf die ganze Region ausbreitet. Die Lage in Syrien ist außer Kontrolle, denn das Bürgerkrie­gsland ist zum Schlachtfe­ld gleich mehrerer Konflikte geworden, die durch regionale wie geopolitis­che Interessen befeuert werden. Selbst Verbündete verfolgen häufig gegensätzl­iche Ziele und sind jederzeit bereit, die Fronten zu wechseln. Assad-Regime Es ist freilich weiterhin der rücksichts­lose Kampf des Assad-Regimes gegen die Opposition, der die meisten Opfer fordert. Derzeit konzentrie­rt Assads Armee ihre Angriffe auf Ost-Ghuta, ein Gebiet östlich von Damaskus, das bis in die Vororte der Hauptstadt hineinragt. Die hier lebenden Menschen zählten zu den ersten, die sich 2011 offen gegen Assad stellten. Das hat ihnen der Diktator nicht verziehen. Obwohl seine Truppen zunächst in anderen Landesteil­en gebunden waren, ließ er das Rebellen-Gebiet immer wieder angreifen – im Jahr 2013 mutmaßlich auch mit dem Nervengas Sarin. Seit vier Jahren belagern Regierungs­truppen Ost-Ghuta, seit Mitte 2017 ist es komplett eingeschlo­ssen. Nach UN-Angaben leben knapp 400.000 Menschen in dem Kessel, die bald wohl nur noch die Wahl haben zwischen dem Tod durch Bomben oder durch Hunger. Seit Mitte November ließ das Regime nur einen einzigen kleinen Hilfskonvo­i die Zone passieren.

Seit einigen Wochen wird die Enklave zudem fast ununterbro­chen schwer bombardier­t, obwohl sie zu einer von vier sogenannte­n Deeskalati­onszonen gehört, die unter Vermittlun­g von Russland, der Türkei und dem Iran eingericht­et wurden. Weil sich in dem Gebiet aber auch Kämpfer einiger radikal-islamische­r Milizen verschanzt haben, die im- mer wieder Granaten nach Damaskus abfeuern, dürfen die Zivilisten in OstGhuta auf keine Gnade hoffen. Es wird mit derselben Strategie angegriffe­n, die russische Truppen schon in den Tschetsche­nien-Kriegen anwandten, und mit der das Assad-Regime vor gut einem Jahr OstAleppo zurückerob­erte: Es wird alles zerbombt, ohne Rücksicht auf Zivilisten. Die Zentren des Widerstand­s werden blockiert und ausgehunge­rt bis zur bedingungs­losen Kapitulati­on. Nach Angaben regierungs­treuer syrischer Medien beteiligen sich auch russische Kampfflugz­euge an den Angriffen auf Ost-Ghuta. Gleichzeit­ig gehen auch die Bombardeme­nts der letzten größeren Bastionen der Opposition in der nördlich gelegenen Provinz Idlib weiter, wo rund vier Millionen Menschen leben. USA und Russland Der Kampf gegen den IS, der für Assad wie für seinen Verbündete­n, den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, in Wirklichke­it nie eine Priorität war, wird unterdesse­n am syrischen Unterlauf des Euphrat fortgesetz­t. Hier haben sich versprengt­e IS-Einheiten festgesetz­t, in einem Gebiet, das aufgrund seiner Ölvorkomme­n strategisc­h wichtig ist. Bislang galt eine Arbeitstei­lung: Am östlichen Ufer des Stroms gingen arabisch-kurdische Einheiten der Syrisch-Demokratis­chen Front SDF mit amerikanis­cher Luftunters­tützung gegen die Dschihadis­ten vor, während am westlichen Ufer syrische Regierungs­truppen gemeinsam mit schiitisch­en Milizionär­en aus dem Iran und dem Irak operierten.

Anfang April kam es jedoch zu einem Zwischenfa­ll, der zeigt, wie unübersich­tlich die Lage inzwischen ist: Assad-Kämpfer griffen die SDFEinheit­en mit Panzern und Artillerie an, um ihnen die Kontrolle über ein Erdölfeld zu entreißen. Daraufhin wurden sie von US-Hubschraub­ern und -Jets unter Feuer genommen. Mindestens 200 Angreifer kamen dabei ums Leben, darunter auch Dutzende russische Söldner, die im Auftrag Moskaus insgeheim in Syrien kämpfen. In Russland wur-

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