Flickenteppich der Konflikte
Zwar ist der Islamische Staat in Syrien so gut wie besiegt, dafür aber fallen nun die Beteiligten der Anti-IS-Koalition übereinander her, während das Regime die Bevölkerung massakriert.
DÜSSELDORF Seit bald sieben Jahren wird in Syrien gekämpft, mindestens eine halbe Million Menschen sind dem Gemetzel bereits zum Opfer gefallen, Millionen sind auf der Flucht. Präsident Baschar al Assad konnte sich dank massiver iranischer und russischer Hilfe an der Macht halten, aber der Konflikt hat sich längst zu einem erbitterten Vielfrontenkrieg ausgewachsen.
Alte Allianzen zerbrechen, neue werden geschmiedet. Es gibt keine Anzeichen für ein baldiges Ende dieses Krieges, ganz im Gegenteil. Vielmehr war die Gefahr noch nie so groß, dass er sich auf die ganze Region ausbreitet. Die Lage in Syrien ist außer Kontrolle, denn das Bürgerkriegsland ist zum Schlachtfeld gleich mehrerer Konflikte geworden, die durch regionale wie geopolitische Interessen befeuert werden. Selbst Verbündete verfolgen häufig gegensätzliche Ziele und sind jederzeit bereit, die Fronten zu wechseln. Assad-Regime Es ist freilich weiterhin der rücksichtslose Kampf des Assad-Regimes gegen die Opposition, der die meisten Opfer fordert. Derzeit konzentriert Assads Armee ihre Angriffe auf Ost-Ghuta, ein Gebiet östlich von Damaskus, das bis in die Vororte der Hauptstadt hineinragt. Die hier lebenden Menschen zählten zu den ersten, die sich 2011 offen gegen Assad stellten. Das hat ihnen der Diktator nicht verziehen. Obwohl seine Truppen zunächst in anderen Landesteilen gebunden waren, ließ er das Rebellen-Gebiet immer wieder angreifen – im Jahr 2013 mutmaßlich auch mit dem Nervengas Sarin. Seit vier Jahren belagern Regierungstruppen Ost-Ghuta, seit Mitte 2017 ist es komplett eingeschlossen. Nach UN-Angaben leben knapp 400.000 Menschen in dem Kessel, die bald wohl nur noch die Wahl haben zwischen dem Tod durch Bomben oder durch Hunger. Seit Mitte November ließ das Regime nur einen einzigen kleinen Hilfskonvoi die Zone passieren.
Seit einigen Wochen wird die Enklave zudem fast ununterbrochen schwer bombardiert, obwohl sie zu einer von vier sogenannten Deeskalationszonen gehört, die unter Vermittlung von Russland, der Türkei und dem Iran eingerichtet wurden. Weil sich in dem Gebiet aber auch Kämpfer einiger radikal-islamischer Milizen verschanzt haben, die im- mer wieder Granaten nach Damaskus abfeuern, dürfen die Zivilisten in OstGhuta auf keine Gnade hoffen. Es wird mit derselben Strategie angegriffen, die russische Truppen schon in den Tschetschenien-Kriegen anwandten, und mit der das Assad-Regime vor gut einem Jahr OstAleppo zurückeroberte: Es wird alles zerbombt, ohne Rücksicht auf Zivilisten. Die Zentren des Widerstands werden blockiert und ausgehungert bis zur bedingungslosen Kapitulation. Nach Angaben regierungstreuer syrischer Medien beteiligen sich auch russische Kampfflugzeuge an den Angriffen auf Ost-Ghuta. Gleichzeitig gehen auch die Bombardements der letzten größeren Bastionen der Opposition in der nördlich gelegenen Provinz Idlib weiter, wo rund vier Millionen Menschen leben. USA und Russland Der Kampf gegen den IS, der für Assad wie für seinen Verbündeten, den russischen Präsidenten Wladimir Putin, in Wirklichkeit nie eine Priorität war, wird unterdessen am syrischen Unterlauf des Euphrat fortgesetzt. Hier haben sich versprengte IS-Einheiten festgesetzt, in einem Gebiet, das aufgrund seiner Ölvorkommen strategisch wichtig ist. Bislang galt eine Arbeitsteilung: Am östlichen Ufer des Stroms gingen arabisch-kurdische Einheiten der Syrisch-Demokratischen Front SDF mit amerikanischer Luftunterstützung gegen die Dschihadisten vor, während am westlichen Ufer syrische Regierungstruppen gemeinsam mit schiitischen Milizionären aus dem Iran und dem Irak operierten.
Anfang April kam es jedoch zu einem Zwischenfall, der zeigt, wie unübersichtlich die Lage inzwischen ist: Assad-Kämpfer griffen die SDFEinheiten mit Panzern und Artillerie an, um ihnen die Kontrolle über ein Erdölfeld zu entreißen. Daraufhin wurden sie von US-Hubschraubern und -Jets unter Feuer genommen. Mindestens 200 Angreifer kamen dabei ums Leben, darunter auch Dutzende russische Söldner, die im Auftrag Moskaus insgeheim in Syrien kämpfen. In Russland wur-