Rheinische Post Hilden

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Es gibt nicht gerade wenige Menschen, die das Vertrauen in das System Sport verloren haben. Das ist schon eine ziemlich verlottert­e Welt. Korrupt. Kriminell. Um keine Möglichkei­t verlegen zu betrügen. Mal im Kleinen, mal im Großen. Windige Funktionär­e. Unehrenhaf­te Athleten. Es gibt viele Gründe, sich angeekelt abzuwenden. Die Russen sind im großen Stil aufgefloge­n. Und die anderen? Die Olympische­n Spiele sind ganz bestimmt keine heile Welt. Ist es nicht anderseits auch unredlich, alle unter Generalver­dacht zu stellen?

Die sehr soliden TV-Quoten bei ARD und ZDF legen den Verdacht nahe, dass sich die Skepsis in engen Grenzen hält – Millionen haben hierzuland­e unter anderem mitverfolg­t, wie die Eishockey-Nationalma­nnschaft Historisch­es geleistet hat. Und Millionen haben Team Deutschlan­d durch die anderen Wettbewerb­e begleitet. Deutschlan­d ist in den vergangene­n zwei Wochen in keinem Ausnahmezu­stand gewesen, es hat sich nicht verkleidet, wie es regelmäßig geschieht, wenn die Fußballnat­ionalmanns­chaft bei einer Europa- oder Welt-

Doping und Korruption zum Trotz begeistern sich Millionen für Olympia. Und das in ungezwunge­nem Patriotism­us, der dem Fußball inzwischen fremd ist.

meistersch­aft um den Titel spielt. Keine schwarz-rot-goldene Fähnchen an den Autos, keine geschmückt­en Fenster, keine Fans im Trikot bei der Arbeit.

Und dennoch und vielleicht gerade deshalb gab es eine viel ungezwunge­nere, ehrliche Unterstütz­ung für die Athleten. Man empfindet Stolz, wenn ein deutscher Sportler auf dem Treppchen steht, man freut sich für ihn, wenn er sich seine Träume erfüllt. Man leidet mit ihm, wenn er scheitert, erkennt aber auch an, dass der Konkurrent an diesem Tag besser war. Es gibt keinen Fanclub, initiiert von einem Sponsor, der einem sagt, wann man sich zu freuen hat. Das bekommen echte Sportfans überrasche­nderweise sehr selbststän­dig hin.

Was bleibt hängen von Sportlern, die alles gegeben haben – ein ganzes Leben lang. Bereiten wir ihnen einen großen Bahnhof, werden Marktplätz­e gesäumt sein mit Zuschauern, die ihren Olympiahel­den ob aus Bayern, Sachsen oder NRW zujubeln? Es wird vielleicht Verdiensto­rden geben. Einträge in Goldene Bücher. Aber viele ihrer Gesichter wird man nach kurzer Zeit wieder vergessen. Sie werden dann weitgehend unbeobacht­et weiter für ihre Träume kämpfen. Das ist unfair, aber das ist die Realität. Was ein Land seinen Sportlern geben kann, ist vor allem Respekt. Und eine finanziell­e Basis, die es ihnen ermöglicht, sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren. Ihren Sport.

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