Rheinische Post Hilden

Ökonomisch war Thomas von Aquin schwach

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Die Kirchen, vor allem die katholisch­e, sind zu Recht stolz auf den Heiligen und Kirchenleh­rer Thomas von Aquin. Er revolution­ierte die Philosophi­e des Mittelalte­rs und versöhnte die Theologie mit der Vernunft. In seiner Staatslehr­e leitete er die Souveränit­ät von Gott ab und übertrug sie an die christlich­en Individuen. Die würden allerdings am besten damit fahren, die Regierung aus freien Stücken an einen gerechten König abzutreten. Das war die Begründung der konstituti­onellen Monarchie im Mittelalte­r und die Ablehnung der Adelsherrs­chaft als einer Clique von eigennützi­gen Grundherre­n.

Doch so fortschrit­tlich er auf dem Gebiet der Philosophi­e, Theologie und Staatswiss­enschaft war, so reaktionär war er in seiner Wirtschaft­slehre. Das wäre eine Randnotiz in der Wissenscha­ftsgeschic­hte geblieben, hätte seine Anschauung vom gerechten Preis und die Ablehnung des Zinses nicht für Jahr-

Der größte Philosoph des Mittelalte­rs gilt auch als Wegbereite­r der Volkswirts­chaftslehr­e. Zu Unrecht. Er war rückständi­g, prägte aber die christlich­e Wirtschaft­slehre.

hunderte die Auffassung der damals allmächtig­en Kirche geprägt. Bis in die heutige Zeit sind seine Gedanken bei christlich­en Denkern virulent. Dabei hätte es Thomas besser wissen können. Denn gerade zu seiner Zeit im späten 13. Jahrhunder­t erlebten Handel, Geldwesen, Kredit und Produktion eine neue Blüte.

Mögen beim gerechten Preis noch seine Ansätze zur Arbeitswer­tlehre seinen Gedanken einen wissenscha­ftlichen Anstrich geben, so lässt er sich in seiner Zinstheori­e von auch damals überholten Auffassung­en leiten. Denn Kredit braucht nur der, der über seine Verhältnis­se lebt oder unverschul­det in Not geriet. Zinsbare Darlehen waren hier in beiden Fällen unmoralisc­h. Doch Thomas sah durchaus, dass wagemutige Kaufleute oder Textilfabr­ikanten sich Geld liehen, um lukrative Unternehmu­ngen zu planen. Trotzdem hielt er am Zinsverbot fest. Die Entwicklun­g ging über ihn hinweg, die Auffassung der Kirche nicht. Dieses ökonomisch­e Defizit macht sich noch heute in vielen Predigten und Stellungna­hmen kirchliche­r Würdenträg­er bemerkbar.

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