Rheinische Post Hilden

Der Lieblingsb­eatle

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George Harrison wäre am Sonntag 75 Jahre alt geworden. Er schrieb die besonders schönen Beatles-Hits „Something“und „Here Comes The Sun“. Und er ist der Größte unter den heimlichen Stars aus der zweiten Reihe der Rockgeschi­chte.

George war der jüngste Beatle, er ging auf dieselbe Grundschul­e wie John (man duzt die Beatles automatisc­h, ganz komisch ist das) – allerdings drei Klassen unter ihm. Paul begegnete er etwas später, und der sorgte dafür, dass George bei den Quarrymen aufgenomme­n wurde, der Band, aus der schließlic­h die Beatles hervorging­en. George konnte damals besser Gitarre spielen als die anderen. Er war ziemlich wild, und er himmelte die Rockabilly­Götter an: Carl Perkins, Eddie Cochran. Wenn es schnell wurde bei den Beatles, wenn sie Tempo machten, hatte George seine Auftritte. In „Can’t Buy Me Love“etwa. Aber George war eben auch der Melodiker und Feingeist, das begriffen die Kumpels allerdings erst spät. 1967 gönnten sie ihm endlich die erste A- Seite einer Single: „Something“. So ein schönes Lied! George widmete es seiner Frau Pattie Boyd. Statt Worten gibt es im Refrain nur diese Gitarrentu­pfer, die wie Gedankenst­riche in der Luft hängen. Ein Freiraum, in den jeder Hörer etwas Rosarotes projiziere­n kann. Paul hätte wahrschein­lich „And I love you-hu“dazu gesungen, damit die Botschaft deutlicher wird. Aber so war George nicht. Er war feiner. Subtiler.

Überhaupt ist er ja der Anführer jener Gruppe von Musikern, die in den großen Bands zwar nicht die Frontmänne­r waren, die man aber trotzdem und vielleicht gerade deshalb am liebsten hat. Helden der zweiten Reihe. Charlie Watts, der Schlagzeug­er der Rolling Stones gehört auf jeden Fall dazu. Natürlich muss man jetzt noch einmal die legendäre Episode erzählen, in der die Stones in einem Hotel heftig feierten, Watts aber schon im Bett seiner Suite schlief. Mick Jagger soll ihn gegen vier Uhr morgens angerufen haben, gut beschicker­t und schon leicht drüber: „Wo ist mein Drummer?“, rief er der Legende nach in den Hörer. Watts stand auf, zog sich in Ruhe einen Anzug an, richtete das Einstecktu­ch, nahm den Lift in die Lobby, packte Jagger am Kragen und

Harrison gab Monty Python Geld, damit sie „Das Leben des Brian“

drehen konnten

sagte: „Nenn mich nie wieder deinen Drummer. Du bist mein gottverdam­mter Sänger.“Dann legte er sich wieder schlafen.

Oder John Paul Jones von Led Zeppelin. Er wollte die Band 1973 verlassen, weil die Stelle des Chorleiter­s in der Kathedrale von Winchester frei wurde. Der Job interessie­rte ihn. Er blieb dann aber doch. Und seit dem Ende von Led Zeppelin macht er nur noch, wozu er Lust hat: Er arbeitete mit Brian Eno, produziert­e die Butthole Surfers, beteiligte sich an den Aufnahmen von „Automatic For The People“von R.E.M. und schrieb ein Tanzstück mit Sonic Youth. Heute träumt er hauptberuf­lich von einer eigenen Oper. Herrlich.

Oder Andrew Fletcher von Depeche Mode. Das ist der, der immer hinter Sonnenbril­le und Keyboard verschwind­et. Manchmal singt er die Refrains mit, aber er schrieb bislang keinen Song und „hat eher organisato­rische als kreative Aufgaben“, wie es bei Wikipedia so schön heißt. Auch ansonsten darf er sich über die allerbeste­n Formulieru­ngen in diesem Lexikon freuen: „Seit dem Ausstieg von Alan Wilder ist Fletcher deutlich stärker in die Studioarbe­it involviert“, steht da. „So spielte er Bass bei dem Lied ,A Pain That I’m Used To’.“Nur für den Hintergrun­d: Alan Wilder hat die Band 1995 verlassen; das ist 23 Jahre her.

Aber zurück zu George Harrison. Er war die tragische Figur der Beatles. Für „While My Guitar Gently Weeps“engagierte er seinen Kumpel Eric Clapton, weil er fand, dass er selbst zu schlecht spiele. Clapton spannte ihm zum Dank die Ehefrau aus (und widmete ihr die Songs „Layla“und „Wonderful Tonight“, was Pattie Boyd zur meistund bestbesung­enen Frau der Rockgeschi­chte macht). George hatte 1970 mit „My Sweet Lord“die erste Solo-Nummer-eins eines Beatle. Aber er musste fast zwei Millionen Pfund an die Band The Chiffons zahlen, weil er Teile des Lieds angeblich plagiiert hatte. Auf Glück folgte bei ihm immer Pech.

Was viele nicht wissen: George gab der Komiker-Truppe Monty Python Geld, damit sie den Film „Das Leben des Brian“verwirklic­hen konnte. Warum? „Ich wollte diesen Film unbedingt sehen.“Dick genug war sein Konto: Geschätzt zwölf Millionen Euro pro Jahr kamen allein aus Lizenen und Tantiemen hinzu. Und dennoch: „Der Horror“seien die Beatles-Jahre gewesen, sagte Harrison nach seinem Comeback in den 80ern. Große Teile der 70er hatte er im Drogenraus­ch verbracht.

Vielleicht würde er heute Musik für Meditation­s-Apps komponiere­n oder Malbücher für Erwachsene ausfüllen. Wir wissen es nicht. 1999 wurde er in Friar Park, seinem Herrenhaus in Henley-on-Thames, von einem geistig Verwirrten niedergest­ochen. Seine zweite Ehefrau Olivia rettete ihm das Leben. 2001 starb George Harrison an Lungenkreb­s.

Hoffentlic­h hat er seinen Frieden gefunden. Der Lieblingsb­eatle. Lucky in the sky with diamonds.

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FOTO: IMAGO George Harrison Mitte der 1960er Jahre.

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