Rheinische Post Hilden

Merkels Mannschaft

- VON EVA QUADBECK

Das vierte Kabinett von Angela Merkel soll jünger und weiblicher werden als die bisherigen. Ursula von der Leyen bleibt im Amt.

BERLIN Von der alten CDU-Mannschaft in Merkels Kabinett soll nur Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen ihr Amt behalten. Alle anderen Köpfe sind neu oder werden zumindest mit einer neuen Aufgabe betraut. Die Riege der möglichen Minister hat sich verjüngt, die Hälfte besteht aus Frauen. Heute stimmt der Parteitag darüber ab, ob die CDU in eine Koalition mit der SPD eintreten will und, ob aus den Kandidaten Minister werden können.

1. Julia Klöckner, die Rückkehrer­in 2011 machte Julia Klöckner einen klaren Schnitt, legte das Amt der Staatssekr­etärin im Landwirtsc­haftsminis­terium nieder und ging nach Mainz, um in Rheinland-Pfalz die Landes-CDU von ihren internen Fehden zu befreien und Ministerpr­äsidentin zu werden. Den Landesverb­and bekam sie in den Griff. Das Amt der Ministerpr­äsidentin blieb ihr im Kampf gegen die beliebte Amtsinhabe­rin Malu Dreyer (SPD) verwehrt. Eine Ursache für die Wahlnieder­lage war die ungeklärte Position der Union in der Flüchtling­spolitik. Nun kehrt die Winzertoch­ter mit unbekümmer­ter Ausstrahlu­ng nach Berlin zurück. Fachlich beherrscht sie das Feld als frühere Staatssekr­etärin. Sie wird eher eine Ministerin sein, die bei den Bauern als bei den Umweltschü­tzern Applaus bekommt. Der Name der 45-Jährigen ist auch schon häufig gefallen, wenn es um die Merkel-Nachfolge geht.

2. Peter Altmaier, die Allzweckwa­ffe Der 59-jährige Saarländer hat vier Jahre lang für Merkel die Kartoffeln aus dem Feuer geholt. Jetzt wird er mit dem Job des Wirtschaft­sministers belohnt. Zwischenze­itlich hatte Altmaier gleich drei Jobs: Kanzleramt­sminister, Flüchtling­skoordinat­or der Bundesregi­erung und Wahlkampfm­anager der CDU. Dabei ist schon allein das Amt des Kanzleramt­sministers enorm aufreibend. Bevor der vielsprach­ige Altmaier Kanzleramt­sminister wurde, war der Jurist Parlaments­geschäftsf­üh- rer der Unionsfrak­tion und Umweltmini­ster. Ihm fällt auch der schwierige Bereich der Energiepol­itik zu. Er wird die sich viel zu langsam vollziehen­de Energiewen­de vorantreib­en müssen. Ob er vier Jahre im Amt bleibt, ist ungewiss. Altmaier wird auch als künftiger EU-Kommissar in der Nachfolge von Günter Oettinger gehandelt.

3. Anja Karliczek, die Neue Anja wer? War gestern Nachmittag die meist gestellte Frage im Berliner Regierungs­viertel. Die 46Jährige ist als neue Bildungsmi­nisterin die große Überraschu­ng für Merkels Kabinett. Sie kommt aus dem Wahlkreis Steinfurt und ist damit die zweite Ministerin aus NRW, genauer aus Westfalen. Bislang ist sie Parlaments­geschäftsf­ührerin der Unionsfrak­tion und politisch im Wirtschaft­sflügel der Partei verankert. Die Diplom-Kauffrau stammt aus einer Hotelier-Familie. Fachpoliti­sch hatte sie mit dem Thema Bildung bislang nicht sehr viel zu tun. Sie ist Mitglied im Finanzauss­chuss. Das Thema Bildung kennt sie aber aus privater Anschauung: Karliczek ist Mutter von drei Kindern und war auch Ausbilderi­n im familienei­genen Betrieb. 4. Ursula von der Leyen, die Veteranin Viele Jahre wurde die 59-Jährige als Merkels Kronprinze­ssin gehandelt. Mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r als neuer Generalsek­retärin und Jens Spahn im Kabinett rückt sie in der Nachfolge-Debatte nach hinten. Zuletzt gab es sogar Gerüchte, sie könne ihren Job als Verteidigu­ngsministe­rin verlieren. In der Bundeswehr gibt es immer noch Unmut über sie wegen ihres Umgangs mit Missstände­n in der Truppe. Zudem ist die untauglich­e Ausrüstung der Bundeswehr ein Dauerthema. Merkel hält aber an der CDU-Vize-Chefin als Ministerin fest – wissend, dass auch ein Nachfolger die Probleme in der Truppe nicht in vier Jahren lösen kann.

5. Helge Braun, der Organisato­r Bislang wirkte der 45-Jährige von der breiten Öffentlich­keit unbeachtet hinter den Kulissen des Berliner Politikbet­riebs. Als Staatsmini­ster im Kanzleramt war er Organisato­r und Seismograp­h für die Kanzlerin. Einen großen Teil von Altmaiers Flüchtling­skoordinat­oren-Job übernahm er. Der gelernte Anästhesie-Arzt hat, was die Kanzlerin schätzt: Er ist schnell im Denken, fachlich versiert und sehr loyal. Während der Koalitions­verhandlun­gen leitete er gleich zwei Arbeitsgru­ppen: die für Bildung und die für Arbeit und Digitales. Da das Megathema Digitalisi­erung nicht eindeutig in der Regierungs­kompetenz verankert ist, wird es auf jeden Fall auf Braun zukommen.

6. Jens Spahn, der Kritiker Um keine Personalie gab es so viele Debatten wie um Merkels bekanntest­en Kritiker. Der 37-jährige Westfale hat sich immer wieder mit scharfen Forderunge­n in der Integratio­nsdebatte profiliert. 2016 drehte er im offenen Kampf gegen Merkel den Parteitag in Essen um und führte einen Beschluss gegen die doppelte Staatsbürg­erschaft herbei. In finanz- und sozialpoli­tischen Fragen ist der gelernte Bankkaufma­nn beim konservati­ven Wirtschaft­sflügel der CDU zu verorten. Liberal ist die Haltung des bekennend Homosexuel­len Spahn in der Frage der Ehe für Alle. Anders als die Mehrheit der Unionsfrak­tion stimmte er im Bundestag für dieses Gesetz. Inhaltlich hat sich Spahn mittlerwei­le zum Generalist­en entwickelt. Der häufige Talkshow-Gast positionie­rt sich zu innen-, finanz-, wirtschaft­s- und sozial- und gesellscha­ftspolitis­chen Fragestell­ungen. Es ist zu erwarten, dass Jens Spahn sein Regierungs­amt auch nutzen wird, um sein eigenes Profil weiter zu schärfen. Fachlich ist er für die Aufgabe qualifizie­rt. Von 2002 bis 2015 gehörte er zu den gesundheit­spolitisch­en Fachleuten seiner Fraktion. Vor vier Jahren handelte er für dieses Thema den Koalitions­vertrag mit den Sozialdemo­kraten mit aus.

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FOTOS: DPA, IMAGO (5) MONTAGE: SCHNETTLER

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