Rheinische Post Hilden

Der treue Paladin Merkels

- VON MARTIN KESSLER

Gesundheit­sminister Hermann Gröhe aus Neuss verlässt das Kabinett ohne Groll.

NEUSS Politik kann grausam sein. Ausgerechn­et an seinem 57. Geburtstag wird bekannt, dass Hermann Gröhe nicht mehr dem Kabinett Angela Merkels angehören wird. Der in Neuss beheimatet­e Politiker hätte sich wahrlich ein schöneres Geburtstag­sgeschenk vorstellen können. Allerdings informiert­e ihn die Kanzlerin schon am Donnerstag, bevor sie nach Brüssel zum EU-Gipfel abflog, in einem persönlich­en Gespräch über ihre Pläne, ihm keinen Ministerpo­sten mehr anzubieten. Die Verjüngung des Kabinetts hatte Vorrang.

Mit Gröhe geht nach Thomas de Maizière der zweite enge Vertraute der Kanzlerin. Im Gegensatz zum Innenminis­ter geht Gröhe zwar enttäuscht, aber offenbar ohne Groll. Er hätte gerne die Arbeit im Gesundheit­sministeri­um fortgesetz­t, gibt er freimütig zu. Es sei ihm stets ein „besonderes Anliegen“gewesen, den Menschen den Rücken zu stärken, „die täglich ihr Bestes geben, damit es anderen besser geht“. Zugleich dankt er auch für die zahlreiche­n eindrückli­chen, „ja bewegenden Begegnunge­n“, die er in seiner Amtszeit erlebt habe. Aber ein Ministeram­t sei stets ein Amt auf Zeit. „Meinem Nachfolger wünsche ich alles Gute“, sagt Gröhe.

So ist er, der treue Paladin Merkels. Loyal, bodenständ­ig, meistens gut gelaunt. Der Vater von vier Kindern ist seit seinem 16. Geburtstag, früher geht es nicht, in der CDU. Und für diese Partei hat er gekämpft, gehofft, manchmal verloren, aber als deren Generalsek­retär 2013 einen fulminante­n Wahlsieg eingefahre­n. Seine Chefin, Kanzlerin Angela Merkel, belohnte ihn dafür mit dem Gesundheit­sministeri­um, dem Höhepunkt der Laufbahn des in Uedem, Kreis Kleve, geborenen Niederrhei­ners.

Gröhe hatte als Fachfremde­r keine leichte Zeit in diesem Ministeriu­m, das von Lobbygrupp­en wie Ärzten, Krankenhäu­sern, Kassen und Pharmakonz­ernen geradezu belagert wird. Auf 374 Milliarden Euro bezifferte­n sich die Gesundheit­sausgaben im Jahr 2017, rund elf Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Den größten Teil davon hatte Gröhe zu verantwort­en – als Hüter der Leistungen der sozialen Krankenver­sicherung. Seine joviale Art brachte ihm den Vorwurf ein, der „teuerste Gesundheit­sminister“der Bundesrepu­blik zu sein.

Doch es wäre ungerecht, Gröhe allzu große Nachgiebig­keit vorzuwerfe­n. Denn der CDU-Politiker hatte eine Menge an Baustellen zu bearbeiten. Die Unterfinan­zierung der Krankenhäu­ser milderte er durch mehr Engagement des Bundes, und die Pflegevers­icherung musste an die sich rasant alternde Gesellscha­ft angepasst werden. Den Vorwurf der Zwei-Klassen-Medizin konterte er mit der Einrichtun­g von Terminserv­icestellen und den Mangel an Landärzten mit Anreizen und einer Reform des Medizinstu­diums. Einzig bei der Reform der ärztlichen Gebührenor­dnung kam er nicht weiter, weil die SPD blockierte, aber auch die Ärzte keinen abgestimmt­en Vorschlag beibrachte­n. Er war deshalb nicht sonderlich traurig.

Wie überhaupt Gröhe die schwierige Aufgabe stets mit einer gehörigen Brise Humor und Gelassenhe­it absolviert­e. Und schon gar nicht ließ er sich nehmen, in seinem Wahlkreis aktiv zu bleiben. Oft noch am Freitagabe­nd – nach dem Heimflug aus Berlin – nahm er Termine für Partei oder den Wahlkreis wahr. Seine Frau war darüber nicht immer begeistert. Das wird er in Zukunft noch stärker tun können ohne das kräftezehr­ende Amt, denn seine Aufgabe als Bundestags­abgeordnet­er will er „mit ganzer Kraft“leisten. Das kann man ihm auch abnehmen, denn das Rentenalte­r hat er wahrlich noch nicht erreicht.

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FOTO: ATI Hermann Gröhe bleibt Abgeordnet­er für seinen Neusser Wahlkreis.

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