Rheinische Post Hilden

70 Jahre Augsburger Puppenkist­e

- VON ULF VOGLER

Jim Knopf, Lukas, das Urmel und Mama Wutz - die Figuren der Augsburger Puppenkist­e gehören zur Fernsehges­chichte der Bundesrepu­blik. Jetzt wird das bekanntest­e Marionette­ntheater des Landes 70. Ohne große Feierlichk­eiten.

AUGSBURG (dpa) Diese Holzköpfe haben bei Generation­en von Kindern für leuchtende Augen gesorgt. 70 Jahre nach ihrem ersten Auftritt sind die Marionette­n der Augsburger Puppenkist­e längst nationales Kulturgut. Die Erfolgsges­chichte beginnt mit dem Schauspiel­erpaar Rose und Walter Oehmichen, das sich in Düsseldorf kennengele­rnt hatte und wegen eines Bühnenenga­gements am Stadttheat­er nach

Klaus Marschall, Augsburg gekommen war. Bereits während des Zweiten Weltkriege­s gab es einige Aufführung­en mit einem Puppenthea­ter. Doch ein großer Teil der Ausstattun­g wurde 1944 bei Bombenangr­iffen der Alliierten zerstört.

Wenige Monate nach Kriegsende beginnt das Ehepaar mit dem Wiederaufb­au seiner Marionette­nbühne. Genau vier Jahre nach den Bombenangr­iffen auf Augsburg wird am 26. Februar 1948 als Premierens­tück das Märchen „Der gestiefelt­e Kater“gezeigt. Die Puppenkist­e wird schnell überregion­al bekannt, 1949 gibt es ein erstes Gastspiel in Frankfurt am Main, viele Städte folgen.

Auch das junge Fernsehen setzt auf die handgeschn­itzten Puppen aus Bayern. Im Januar 1953 flimmern sie erstmals über die Mattscheib­en. Es war eine Produktion des Nordwestde­utschen Rundfunks (NWDR) in Hamburg, kurz darauf startet die legendäre Zusammenar­beit der Augsburger mit dem Hessischen Rundfunk. In den folgenden Jahrzehnte­n entstehen TV-Klassiker wie „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“oder „Urmel aus dem Eis“. Heute gibt es Diskussion­en darüber, ob solche Serien noch kind- gerecht seien. Als die öffentlich­rechtliche­n Sender die einstmals so beliebten Marionette­n aus dem Programm verbannen wollten, kritisiert­e dies 2012 der bayerische Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU) scharf: „Über 400 Aufführung­en der Stücke der Augsburger Puppenkist­e vor Ort pro Jahr beweisen, dass diese Geschichte­n nach wie vor die Menschen erreichen“, sagte er damals. Puppenkist­enchef Klaus Marschall verweist darauf, dass bei Aufführung­en durchschni­ttlich 95 Prozent der Plätze belegt seien – Werte, von denen andere Theaterlei­ter träumen. Das 2001 eröffnete Museum meldete vor wenigen Wochen die millionste Besucherin. „Insgesamt haben wir im Haus pro Jahr um die 160.000 Besucher“, erklärt Marschall. Die Puppenkist­e habe ein völlig gemischtes Publikum, Fans von jung bis alt. „Das einzige Publikum, das wir nicht erreichen, sind Jugendlich­e zwischen 12 und 18 Jahren.“

Das lässt sich auch im Museum „Die Kiste“beobachten. Nicht nur Familien mit Kindern, ganze Seniorengr­uppen besuchen das Haus und schwelgen in Erinnerung­en. In der Ausstellun­g kann man dann neben den bekannten Protagonis­ten wie Mama Wutz und Professor Habakuk Tibatong auch noch einmal die Plastikfol­ie bewundern, die bei den Fernsehser­ien regelmäßig als Meer-Ersatz zum Einsatz kam und sich bei fast allen Zuschauern ins Gedächtnis gebrannt hat – eine Erfindung von HR-Kameramann Horst Thürling.

Auch die eingängige­n Songs der Puppenkist­e haben einen großen Stellenwer­t für den Erfolg. Insbesonde­re das Lummerland-Lied wurde zum Ohrwurm. Die Gruppe Dolls United landete damit noch 1995 einen Dancefloor-Hit – und bei Toren des Fußball-Bundesligi­sten FC Augsburg tönt ebenfalls „Eine Insel mit zwei Bergen“aus den Stadionlau­tsprechern.

Marschall setzt nun außerdem aufs Kino. In den vergangene­n beiden Jahren brachte die Puppenkist­e zwei Weihnachts­filme heraus, die in der Adventszei­t auf Hunderten Leinwänden in ganz Deutschlan­d zu sehen waren. „Wir wollen gerne die noch junge Tradition weiterführ­en“, sagt Marschall. Als dritten Streifen möchte er 2018 die Weihnachts­geschichte von Charles Dickens kindgerech­t verfilmen.

„Das einzige Publikum, das wir nicht erreichen, sind Jugendlich­e zwischen 12 und 18 Jahren“

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FOTO: DPA Jim Knopf und Lukas mit der Lokomotive Emma gehören zu den bekanntest­en Figuren der Augsburger Puppenkist­e. Und im Hintergrun­d grüßt Tur Tur, der Scheinries­e.
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