Jörg und Hofmeister freuen sich über Silber und Bronze
PYEONGCHANG (sid/dpa) Es war spät geworden bei der Party im deutschen Haus. Doch die Worte von Selina Jörg (30), die Silbermedaille um den Hals, hatten nichts von ihrer Klarheit verloren. Eine von den jungen deutschen Snowboarderinnen, sagte sie, werde 2022 in Peking den Spieß umdrehen und Königin Ester Ledecka schlagen. Und die mit der Bronzemedaille dekorierte Ramona Hofmeister (21) wusste auch, welche: „Ich“, sagte sie und lachte.
Einige Stunden zuvor, war Ledecka noch zu stark gewesen. Doch Jörg und Hofmeister fühlten sich bei der Show der Tschechin wie Olympiasiegerinnen. Jörg sprach sogar versehentlich von „Gold“, als sie über Silber Auskunft geben sollte. Und Hofmeister kam all das unwirklich vor. „Es hängt etwas Ultraschweres um meinen Hals“, sagte sie, „ich kann noch gar nicht glauben, dass das eine Olympiamedaille ist.“Wie 2014, als Anke Wöhrer (damals Karstens) und Amelie Kober zum Abschluss Silber und Bronze gewannen, retteten Jörg und Hofmeister die Bilanz von Snowboard Germany.
Ledecka, Weltmeisterin und eine Woche zuvor Sensationssiegerin im Super-G der Ski-Rennläuferinnen, war schier unschlagbar. Hofmeister, die einzige Snowboarderin, die Ledecka in diesem Winter im Weltcup bezwungen hatte, war im Halbfinale nah dran, bis sie einen Fehler machte. Eine wie die Tschechin, sagte sie, „gibt es nicht zwei Mal, aber wir haben es ihr nicht leicht gemacht“. Jörg meinte: „Ester ist ein Jahrhunderttalent. Hut ab vor ihr.“
Jörg wird in Peking wohl nicht mehr dabei. Verbands-Präsident Michael Hölz hofft dann vor allem auf Hofmeister. „Die Ramona weiß, wie sie sie packen kann“, sagte er, „deswegen freue ich mich auf die nächsten Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele.“Halfpiper Johannes Höpfl, Hofmeisters Freund, ergänzte: „Das wird keine vier Jahre mehr dauern – und irgendwann zur Routine werden.“
Ledecka gab sich gelassen. Ja, die Deutschen seien schnell, sagte sie, aber das gelte für alle im Feld. Ledeckas Extraklasse ist gepaart mit einer Portion Extravaganz. Gestern saß die 22-Jährige mit ihrem Team – perfekt gestylt und geschminkt – vor der Weltpresse. „Ich sehe mich nicht als Vorbild, ich bin kein gutes Beispiel. Ich bin zu verrückt“, sagte sie. Am Vortag war Ledecka wie schon nach ihrem Super-G-Sieg mit ihrer Skibrille im Pressezelt erschie- nen, die Hälfte des Gesichts war verdeckt. Es mache keinen Sinn, für Make-up früher aufzustehen, argumentierte Ledecka. Und setzte die Brille auch nach dem Hinweis nicht ab, dass es keinen störe, wenn sie nicht hergerichtet sei: „Ihr müsst euch daran gewöhnen.“
Ihren Opa, der 1964 und 1968 Olympia-Medaillen im Eishockey holte, bezeichnet Ledecka als große Inspiration. Vater Jannek ist in Tschechien ein Popstar, bekannt vor allem durch seine Weihnachtslieder. Er will für Ester einen Song schreiben. Ihr Bruder Jonas zeichnet Comics und plant seine Schwester in einer Hauptrolle für seine Geschichten ein. Ledecka dankte ihren Eltern, die ihr mit der finanziellen Unterstützung ihren Traum von Weltklasse in zwei Sportarten ermöglicht hatten. „Es hat ein bisschen gedauert, bis ich davon leben konnte“, sagte sie.