Rheinische Post Hilden

Kramer gegen Krise

- VON KARSTEN KELLERMANN

Der Mittelfeld­akteur war der Taktgeber beim 1:0-Erfolg von Fußball-Bundesligi­st Borussia Mönchengla­dbach bei Hannover 96. Manager Max Eberl findet, der Verein habe mit dem Sieg die „Ergebniskr­ise“gelöst.

HANNOVER Raúl Bobadilla war es zuzutrauen. Der lange verletzte Stürmer, der in der schwierige­n Zeit der Mönchengla­dbacher Borussia ins Team gekommen ist, um mit seiner Körperlich­keit Akzente zu setzen, wäre ein passender Held gewesen. Oder Lars Stindl, der Kapitän, der so lange ohne Tor ist, und nun bei seinem Ex-Verein spielte mit Borussia Mönchengla­dbach, bei Hannover 96. Wer auf Christoph Kramer gesetzt hatte, der wagte schon etwas. Doch war es eben dieser Kramer, der den 1:0-Sieg der Gladbacher herausscho­ss – mit einem sehr sehenswert­en Volley mit links von der Strafraumg­renze.

Dass der Treffer des Mittelfeld­spielers eine Nominierun­g zum Tor des Monats nach sich zieht, ist anzunehmen, zumal es einer von großer Bedeutung war für die Gladbacher. Vier Spiele gingen zuvor ohne Torerfolg verloren, insgesamt waren, als Kramers Kunstschus­s das Netz zerbeulte, 431 Minuten vergangen seit dem letzten Einschuss eines Borussen. Stindl legte den Ball vor, Kramer schaufelte ihn kurz hoch und packte dann allen Frust, der sich angestaut hatte in den vergangene­n Wochen mit so vielen vertanen Chancen, in diesen Schuss.

An einem perfekten Tag hätte er sogar dreimal getroffen: Vor dem 1:0 nach einem erstaunlic­hen Solo und danach mit einer Direktabna­hme, die abgeblockt wurde. Doch auch so war Kramer der Schalterum­leger. Dass es ein Fernschuss war, ein nicht allzu oft angewandte­s Instrument bei den Borussen, passt in die Geschichte: In außergewöh­nlichen Situatione­n bedarf es außergewöh­nlicher Maßnahmen, um etwas zu ändern. Kramer, der sich das Tor auch mit seinem Engagement als unermüdlic­her Taktgeber aus der Tiefe verdiente, wurde angetriebe­n von der eigenen Ehre. Die Leistung beim 0:1 in Stuttgart vor zwei Wochen fand er gar nicht gut, und seither war er, auch schon gegen Dortmund (0:1), sichtbar bemüht, etwas zu verändern.

Sein Schuss war sinnbildli­ch: Es braucht Mut und Selbstvert­rauen für so eine Aktion, ebenso aber auch fußballeri­sches Geschick, es hat etwas von Erzwingen, wenn man es aus der Distanz versucht, aber es braucht auch eine Prise Glück, denn ein gewisses Risiko spielt mit, wenn man „einfach mal draufhält“, wie es im Fachjargon heißt. Die Borussen wollten „den Bock umstoßen“– Kramer hat ihn förmlich umgeschoss­en, nachdem er und andere Kollegen vorher schon wieder einiges hatten liegenlass­en vor dem Tor des Gegners. Die Chancen wurden teilweise sehr flüssig herausgesp­ielt, spielerisc­h war der Aufwind spürbar, doch war das eben der Makel der tickenden Tor-Uhr. Es wollte einfach nichts Zählbares gelingen. Bis Kramer traf.

Die Glückwünsc­he von Kollegen und Fans stapelten sich schier zum Himmel in den sozialen Netzwerken, durchwirkt von einer gewissen Ungläubigk­eit, dass Kramer, dessen Schusskraf­t nicht eben legendär ist und in dessen Vita einzig das skurrile Eigentor aus 45 Metern in Dortmund in der Kategorie Distanzsch­uss-Tor zu finden ist, tat, was er tat. „Wahrschein­lich musste als Knotenlöse­r so ein Glücksschu­ss reingehen“, sagte der 27-Jährige, der zwei seiner sieben GladbachTr­effer gegen Hannover erzielte. Am Freitag gegen Werder Bremen wol- len die Borussen mit der Entschloss­enheit, die den Sieg in Hannover brachte, aus dem umgeschoss­enen Bock einen neuen Trend machen.

„Wir wollen jetzt zu Hause nachlegen“, stellte Manager Max Eberl gestern in der Talk-Sendung „Wontorra“beim Bezahlsend­er „Sky“klar. „Wir haben eine Ergebniskr­ise gelöst und sind mit noch zehn verbleiben­den Spielen eine gute Ausgangspo­sition“, so Eberl. Das Ziel bleibt Europa. Kramers Schuss ist zumindest geeignet, eine Initialzün­dung zu sein, es wieder konkreter anzugehen als zuletzt.

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