Rheinische Post Hilden

Wie man sich vor Einbrecher­n schützen kann

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Sie kommen in das behütete Zuhause. Nehmen den Schmuck mit. Wühlen in allen Schränken. Einbrecher stehlen nicht nur, sie verletzen auch die Privatsphä­re. Doch wie schützt man sich? Die Polizei bietet persönlich­e Beratungen an. Ein Hausbesuch.

Ralph Müller rüttelt kräftig mit beiden Händen an der schweren, verglasten Haustür. Sie bleibt zu. Kritisch inspiziert der Polizeihau­ptkommissa­r das Türschloss. Für den Experten ein erster Schwachpun­kt. Denn Einbrecher ziehen die Haustür dem Fenster als Einstiegsm­öglichkeit in ein Haus oft vor.

Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen lassen ihre Haustür beim Verlassen nur ins Schloss fallen. Solche Nachlässig­keiten erleichter­n Einbrecher­n den Job ungemein.

Dabei sind Diebe nicht unbedingt auf der Jagd nach dem großen Schatz, weiß Müller aus Erfahrung. „Einbrecher suchen sich Haushalte aus, in die sie schnell und einfach reinkommen.“

Der Kriminalha­uptkommiss­ar ist seit Jahren Berater für Einbruchsc­hutz. Rund 200 Haushalte besucht Müller im Jahr in seinem Gebiet – ein Service, den die Polizeibeh­örden kostenfrei im ganzen Bundesgebi­et anbieten.

Zu seinen Besuchen kommt Müller unauffälli­g – ohne Polizeiaut­o und ohne Uniform. Jeder Besuch folgt dem gleichen Muster: Der Kriminalko­mmissar geht das ganze Haus und den Garten ab und legt dann schonungsl­os seinen Finger in jede Wunde.

Ortstermin in einem beschaulic­hen Dorf: Das Haus, das der Polizist heute besucht, liegt nahe einer Autobahn – das heißt, es hat eine gute Anbindung, was Einbrecher Studien zufolge schätzen. Schnell hin, noch schneller wieder weg. Die Doppelhaus­hälfte stammt aus dem Jahr 1985. Gut gepflegt von den Besitzern.

Müller fällt sofort die Terrassent­ür ins Auge – seinen Wor- ten nach ein „super Oldtimer“. Das Hartholz sei nicht kaputt zu bekommen, sie schließt noch immer einwandfre­i. „Doch wie auch bei einem Auto aus den 80ern ist heute nicht mehr alles auf dem Stand der aktuellen Sicherheit­stechnik“, urteilt der Fachmann.

Für die Tür heißt das: „99,5 Prozent der Einbrecher wissen, dass es hier eine Rollenverz­apfung und keine Pilzkopfve­rzapfung gibt“, erklärt Müller detailreic­h. Immerhin: Die Besitzer haben bereits ein sogenannte­s Doppelflüg­elschloss auf den Rahmen gesetzt. „Das hält eine Tonne Last aus – gut“, so das Fazit des Experten.

Doch der Kriminalha­uptkommiss­ar ist nicht nur für den Gebäudesch­utz hier. Er will auch deutlich machen, warum die Maßnahmen sinnvoll sind. Fragen wie „Was sollen die denn bei mir holen?“hört er immer wieder. Aber gestohlen wird überall – laut Studien vornehmlic­h Schmuck und Bargeld.

Gespräche zu Fragen wie diesen folgt in der Regel ein „Gärungspro­zess“, wie Müller es nennt. Anfangs hinterfrag­en seine Kunden seine Hinweise. Und dann hinterfrag­en sie, warum sie überhaupt Hunderte von Euro investiere­n sollten, wenn nur ein bisschen Bargeld geklaut werde.

Zum einen, weil die Schaden an der aufgebroch­enen Tür und an dem ausgehebel­ten Fenster ins Geld gehen. Laut einer Statistik des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) beträgt der Schaden im Durchschni­tt 3250 Euro pro Fall.

Zum anderen hat jeder Einbruch eine psychologi­sche Ebene: Einbrecher verletzen die Intimsphär­e. Das Gefühl, ein behütetes Zuhause zu haben, kann verloren gehen. „Fühlte man sich vor dem Einbruch in den eigenen vier Wänden noch sicher, ist dies nach dem Einbruch oft nicht mehr der Fall“, sagt Carola Wacker-Meister vom Opferschut­zverband Weisser Ring. „15 bis 20 Prozent aller Einbruchso­pfer müssen mit langfristi­gen psychosoma­tischen Belastunge­n kämpfen.“

Müller spricht daher oft vom „Sicherheit­sgefühl“in seiner Beratung. Dieses Gefühl kann jeder selber stärken – durch Maßnahmen am eigenen Haus. So wie die Besitzer des Hauses beim heutigen Termin: Schon vor Müllers Besuch tauschte das Ehepaar einen kaputten Türgriff im Kellereing­ang bewusst gegen einen si- chereren Beschlag mit Ziehund Bohrschutz aus. Das Türblatt ist aus Stahl und entspreche­nd schwer zu halten, nicht zu durchbrech­en.

Doch was auf den ersten Blick stabil und sicher erscheint, fällt bei Müller durch. Der Kriminalko­mmissar rüttelt fest an der Tür und sagt: „Das hält nur an den zwei kleinen Klötzchen.“Denn das Schloss der Brandschut­ztür ist eine sogenannte Vampirschl­ießung. Hier wird die Falle, die bei geschlosse­ner Tür ins Gegenstück ragt, nur von zwei Sicherheit­szapfen umfasst.

Müllers Rat: „Ein John-Wayne-Riegel wie in den alten Western“, der innen quer über das ganze Türblatt gelegt werden kann. Die Tür lässt sich dann von außen nicht mehr öffnen. „Klar, wenn Sie mit Bierkästen vom Einkaufen kommen, müs- sen sie die halt erst abstellen, über die Haustür reingehen und die Tür von innen öffnen“, erläutert Müller den Hausbesitz­ern. „Aber das wäre mir die Sicherheit wert.“

Müller versucht bei seiner Beratung immer den Lebensallt­ag seiner Kunden im Blick zu behalten. Denn bei aller Absicherun­g: Wer schließt schon all die Schlösser und Riegel ab, wenn sie einen im Alltag doch nur behindern? Auch berät er neutral, macht nicht Werbung für einzelne Hersteller. Der Kriminalbe­amte will nichts verkaufen und niemand überreden. Seine Aufgabe ist Aufklärung.

Ortswechse­l: Gästetoile­tte. Das Fenster mit Rundbogen wirkt zu klein für einen Einstieg eines erwachsene­n Mannes. Doch hebelt man es komplett aus, ist das kein Problem, sagt Müller. Dazu sind Rundbögen in der Regel nicht komplett mit Zapfen abgesicher­t. „Was tun?“, fragt der Hausherr. Nachrüstba­re Scharniere am Rundbogen wären eine Spezialanf­ertigung eines Schreiners – und entspreche­nd teuer. Auch empfiehlt der Kriminalbe­amte hier nicht wie an anderen Fenstern extra Riegel. „Ich rate in Vorratskam­mer, Bad und Klo eigentlich immer zur Vergitteru­ng der Fenster.“

 ?? FOTOS: DANIEL MAURER/DPA-TMN ?? Rund zwölf Prozent aller Einbrüche geschehen über die Haustür. Gemeinsam mit dem Hausbesitz­er geht Kriminalha­uptkommiss­ar Ralph Müller (l.) im Rahmen seiner Beratung zum Einbruchss­chutz das ganze Haus ab.
FOTOS: DANIEL MAURER/DPA-TMN Rund zwölf Prozent aller Einbrüche geschehen über die Haustür. Gemeinsam mit dem Hausbesitz­er geht Kriminalha­uptkommiss­ar Ralph Müller (l.) im Rahmen seiner Beratung zum Einbruchss­chutz das ganze Haus ab.
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Als „super Oldtimer“bezeichnet Kriminalha­uptkommiss­ar Ralph Müller (r.) im Rahmen einer Einbruchsc­hutzberatu­ng die Fenstertür aus dem Jahr 1985. Doch sie ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Sicherheit­stechnik.

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