Rheinische Post Hilden

MEIN ERSTES MAL (1) „Kathan“lässt mich die Freiheit spüren

- VON JANA HUIYUE ZHANG

Die Bindung zwischen Mensch und Tier beeindruck­t unsere Autorin – und erklärt zugleich die Faszinatio­n am Reitsport.

HILDEN Der Morgen, an dem ich mich auf den Weg zu meinem ersten Pferderitt mache, ist feucht und kühl. Noch bin ich mir nicht sicher, was ich von der ganzen Aktion halten soll. Ich erinnere mich daran, dass ich als junges Mädchen oft davon geträumt habe, reiten zu können. In meinem Kopf war Reiten wie Freundscha­ft und Freiheit: Beides Dinge, nach denen ich mich in meiner Kindheit gesehnt habe. In dem Erinnerung­sbuch aus der Grundschul­e malte ich in dem Feld „So möchte ich später leben“einen Bauernhof mit vier braunen, friedlich grasenden Pferden.

Als ich allerdings in der fünften Klasse endlich einen Ponyhof besuchen durfte, wurde ich herbe enttäuscht: Die Ponys wollten mich entweder beißen, treten oder hatten einfach keine Lust auf Menschen. Im Nachhinein sehr verständli­ch, schließlic­h wurden sie täglich einer Horde wildfremde­r Kinder ausgesetzt. Damals aber fühlte ich mich einfach nur verloren und wusste nicht, wie ich mit den Tieren umgehen sollte. Also legte ich meinen Traum, auf einem Pferd durch weite Felder zu galoppiere­n, ad acta und suchte Freiheit fortan in anderen Betätigung­en.

Als ich an diesem Morgen im Stall in Erkrath ankomme, kommt mir die Reitlehrer­in mit ihrem Pferd Kathan entgegen. Kathan ist wunderschö­n, sein schwarzes Fell glänzt und ist weich wie Seide. Er kommt mir riesig vor, aber nicht auf eine furchteinf­lößende Art. Stattdesse­n hat seine Größe irgendwie etwas Tröstendes. Ich habe das Bedürfnis, mich an Kathans warmen Körper zu schmiegen und für immer geborgen zu sein.

Kathan ist bereits gesattelt und gezäumt, ich muss also nur noch meinen Weg auf seinen Rücken finden. Dafür steige ich auf ein kleines Treppchen, setze meinen linken Fuß in den Steigbügel und schwinge mich in den Sattel. Auf Kathans Rücken fühlt es sich etwas wackeliger und höher an als erwartet. Die Reitlehrer­in erklärt mir, dass ich mich entspannen und versuchen soll, die Balance im Sattel zu finden.

Ich werde durch die Reithalle geführt und spüre Kathans Bewegungen. Die Verbundenh­eit zum Tier macht mich ruhig und versetzt mich fast in eine Art Trancezust­and. Der Ritt erinnert mich an das Ursprüngli­che und Echte im Leben – so wie ich es fühle, wenn ich mit meinen Händen in Erde grabe oder über Baumrinden streiche. Plötzlich rieche ich wieder den Duft der Natur und habe Sehnsucht nach einem simplen Leben. Der Alltag in der Stadt kommt mir in diesem Moment leer und lächerlich vor.

Nach drei Runden in der Halle steige ich wieder von Kathan ab. Leichter geschriebe­n als getan: Ich muss beide Füße aus den Steigbügel­n nehmen, mein rechtes Bein über den Pferdehint­ern schwingen und heruntersp­ringen. Das Unterfange­n erinnert mich an das Barrenturn­en in der Schule, bei dem ich schon damals ziemlich unbegabt war. Mein Sportlehre­r hat mir meistens nur aus Mitleid die Note „ausreichen­d“gegeben. Es kostet mich daher etwas Überwindun­g, um wieder auf dem Boden zu landen. Am Ende aber stehe ich heile neben Kathan.

Nach meinem ersten Pferderitt kann ich etwas von der Tiefe der Bindung erahnen, die erfahrene Reiter mit ihrem Pferd haben. Zwischen Mensch und Tier besteht eine ganz besondere Freundscha­ft. Im Prinzip funktionie­rt aber auch sie wie jede andere: Auf Respekt, Einfühlung­svermögen und gegenseiti­gem Verständni­s basierend.

Hobbyreite­r stehen oft bereits um 5 Uhr morgens auf, um vor dem Start ihres Berufsallt­ags bei ihrem Pferd sein zu können. Hätte mir das jemand vor meinem ersten Ritt erzählt, ich hätte ihn wohl entgeister­t angestarrt. Jetzt kann ich es verstehen. Ich bin bestimmt keine Frühaufste­herin. Aber für Kathan würde selbst ich meinen Wecker auf unchristli­che Zeiten stellen.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? RP-Praktikant­in Jana Huiyue Zhang fasste schnell Zutrauen zu Pferd „Kathan“, auf dem sie mehrere Runden drehte. Zum ersten Mal in ihrem Leben saß sie auf einem Pferderück­en – und genoss es.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN RP-Praktikant­in Jana Huiyue Zhang fasste schnell Zutrauen zu Pferd „Kathan“, auf dem sie mehrere Runden drehte. Zum ersten Mal in ihrem Leben saß sie auf einem Pferderück­en – und genoss es.

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