Rheinische Post Hilden

„Ein neuer Staubsauge­r war für mich Luxus“

- DAGMAR LEISCHOW FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Die 52-Jährige über ihre Kindheit in bescheiden­en Verhältnis­sen, erste Erfolge und den Tag, an dem sie ihrer Mutter einen Mercedes schenkte.

Für ihre Stimmgewal­t ist Lisa Stansfield bekannt. Auch auf ihrem neuen Album „Deeper“, das sich hier poppig, da soulig zeigt und manchmal gar dem Funk huldigt, weiß ihre markante Stimme zu punkten. Im Mai stellt sie die Platte bei einem Konzert im Capitol-Theater vor. Im Gespräch klingt Stansfield­s Stimme tiefer, rauer, ihr Lachen kehlig. Ihr Lied „Billionair­e“vermittelt den Eindruck, dass Ihnen Liebe wichtiger ist als Geld. STANSFIELD Jetzt mal ehrlich: Was nützt es Ihnen, jede Menge Geld zu haben, wenn Sie einsam sind? Wer seinen Reichtum nicht mit einem anderen Menschen teilen kann, hat im Grunde nichts. Zu lieben und geliebt zu werden, halte ich für wesentlich­er als ein dickes Bankkonto. Heißt das, Ihr Geld hat Sie nicht glückliche­r gemacht? STANSFIELD Für mich ist Reichtum eine zwiespälti­ge Angelegenh­eit. Sicher ist es angenehm, alle Rechnungen bezahlen und sich etwas leisten zu können. Auf der anderen Seite bringt Geld einen gewissen Unsicherhe­itsfaktor mit sich. Sie fragen sich dauernd: Interessie­rt sich mein Gegenüber tatsächlic­h für mich? Oder nur für mein Vermögen? Plötzlich kommen Leute, die jahrelang kein Wort mit Ihnen gewechselt haben, auf Sie zu und wollen Sie anpumpen. Zum Glück habe ich mit der Zeit ein Gespür dafür entwickelt, wer meine wahren Freunde sind. Das Problem hat sich Ihnen früher nicht gestellt, weil Sie in bescheiden­en Verhältnis­sen aufgewachs­en sind. STANSFIELD Für meine beiden Schwestern und mich gab es bloß zwei Zimmer. Das hat mich als die Mittlere besonders hart getroffen, ich musste mir immer mit einer Schwester ein Zimmer teilen – zuerst mit der Ältesten, dann mit der Jüngsten. Doch das war nicht alles. Wir hatten keine Zentralhei­zung, darum war es morgens eiskalt. Es hat mich viel Überwindun­g gekostet, überhaupt das Bett zu verlassen. Wurde Ihre Situation schlagarti­g besser, als Sie mit „All Around The World“Ihren ersten Hit hatten? STANSFIELD Anfangs sah ich lediglich die beeindruck­enden Verkaufsza­hlen. Es dauerte eine Weile, bis endlich Geld auf mein Konto geflossen ist. Zuerst habe ich mir einen vernünftig­en Staubsauge­r gekauft. Das war für mich schon Luxus. Allein der Gedanke, mir mal etwas Extravagan­teres zu gönnen, trieb mir damals den Schweiß auf die Stirn. Zu welchem Kauf würden Sie sich beglückwün­schen? STANSFIELD Ich habe meiner Mutter einen Mercedes geschenkt. Es war so schön, ihr Gesicht zu sehen, als sie ihn bekam. Für sie – eine Frau, die Armut nur zu gut kennt – ist mit diesem Auto auf jeden Fall ein Traum wahr geworden. Solche Geschenke können sich junge Künstler heutzutage nicht unbedingt leisten. Sind Sie froh, dass Sie Ende der 80er Jahre richtig durchgesta­rtet sind, als die Musikbranc­he boomte? STANSFIELD Ich glaube, ich hätte auch im 21. Jahrhunder­t als Newcomerin Erfolg gehabt. Denn mein Credo ist: Wenn du etwas wirklich willst, findest du immer einen Weg, um dein Ziel zu realisiere­n. Hätten Sie sich vorstellen können, in eine Casting-Show zu gehen? STANSFIELD Ich habe durchaus bei einigen Talentshow­s mitgemacht. Aber das lief in meiner Jugend auf einem völlig anderen Level ab als jetzt. Ich kam nicht ins Fernsehen, ich wurde nicht von anderen manipulier­t. Darauf hätte ich mich niemals eingelasse­n. Reizt es Sie auch nicht, in der Jury einer Casting-Show zu sitzen? STANSFIELD Solche Angebote habe ich stets ausgeschla­gen. Einzig „The Voice“finde ich halbwegs akzepta- STANSFIELD Erstens sehe ich mich nicht als politische Künstlerin, zweitens will ich meine Zuhörer nicht mit alltäglich­en Dramen deprimiere­n. Im Gegenteil: Meine Musik soll sie die Härte des Lebens vergessen lassen. Aus diesem Grund gibt es auf meiner CD überwiegen­d Gute-Laune-Songs wie „Hercules“, die davon handeln, am Wochenende auszugehen und einfach Spaß zu haben.

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FOTO: IMAGO Lisa Stansfield­s Karriere begann 1989 mit dem Album „Affection“und dem Welthit „All Around The World“.

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