Rheinische Post Hilden

Eltern fordern mehr Wickelange­bote

- VON JÖRG JANSSEN

Das als familienfr­eundlich zertifizie­rte Düsseldorf hat noch Luft nach oben. Das glauben jedenfalls Mütter und Väter, die geeignete Orte zum Stillen und Wickeln vermissen. Inzwischen hat das Thema auch die Politik erreicht.

Lust aufs Shoppen in der City oder einen Stadtbumme­l haben Silke und Sebastian Gandor nur noch selten. „Nach einer Wickelgele­genheit suchen wir häufig vergeblich“, sagt die 35-Jährige. Auf ungelenke Improvisat­ionen im Kinderwage­n unter freiem Himmel verzichten die beiden lieber. „Wir leben doch nicht in einer Einöde, sondern in einer Stadt, die sich familienfr­eundlich nennt“, sagt die Mutter. Eher unzufriede­n ist die vierköpfig­e Familie aus dem Stadtsüden auch mit dem Angebot in der Gastronomi­e. Oft gebe es in Lokalen tolle Bäder mit viel Granit und Marmor, nach einer guten Wickelgele­genheit halte man dagegen vergeblich Ausschau.

„Deshalb gehen wir fast nur noch in den Jägerhof, weil das Lokal sehr auf die Bedürfniss­e kleiner Kinder eingeht“, sagt die Mutter, die mit Benedikt (2) und Dominik (ein Monat) gleich zwei Wickelkind­er hat.

Auf eine Verbesseru­ng der Situation dürfen Familien wie die Gandors nun hoffen. Denn inzwischen hat das Thema die Stadtpolit­ik erreicht. „Wir wollen, dass im Rathaus und anderen öffentlich­en Gebäuden solche Möglichkei­ten neu geschaffen werden, und dass die Verwaltung mit den Verbänden des Handels und der Gastronomi­e über einen Ausbau spricht“, sagt CDURatsfra­u Sabine Schmidt. Einen Antrag für den Rat hat ihre Fraktion bereits formuliert. „Wir hoffen, dass vor der Sommerpaus­e abgestimmt wird“, sagt die Vize-Vorsitzend­e des Gleichstel­lungsaussc­husses.

Marcel Scherrer, Sprecher der Düsseldorf­er Kita-Eltern, unterstütz­t die Initiative. „Wir sollten diese Angebote breiter streuen. Viele Eltern, die im Sommer Parkbänke zum Wickeltisc­h machen, haben im Winter ein echtes Problem“, meint er. Wichtig ist ihm, dass Wickelmögl­ichkeiten an Orten geschaffen werden, die beiden Geschlecht­ern zugänglich sind. „Wir Männer können nun mal nicht in eine Damentoile­tte gehen“, sagt der Vater.

Die Idee, das Angebot in öffentlich­en Gebäuden zu verbessern, trifft im Rathaus auf offene Ohren. „Soweit Wickel- und Stillmögli­chkeiten dort nicht bestehen, sollten an Standorten mit Publikumsv­erkehr solche familienfr­eundlichen Angebote geschaffen werden“, sagt Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche. Das sieht auch Ursula HoltmannSc­hnieder, Vize-Chefin der SPDFraktio­n und Vorsitzend­e im Jugendhilf­eausschuss, so. „Das Rathaus sollte das so einrichten und offensiv dafür werben.“Ganz so dürf- tig wie manche Eltern und die CDU empfindet sie das Angebot in Düsseldorf allerdings nicht. „Es gibt doch eine ganze Reihe Orte, wo das in angemessen­em Rahmen möglich ist.“Man müsse eben diese Angebote nur bekannter machen.

Doch genau daran hapert es nach Einschätzu­ng vieler Mütter und Väter. Zwar gibt es eine Liste, die rund 50 geeignete Orte auflistet. Doch die ist in einer Informatio­n für frisch gebackene Eltern aus Düsseldorf versteckt, die es nur in gedruckter Form gibt. „Über die Homepage der Stadt kann man diese Info für Eltern mit Kindern bis vier nicht öffnen oder herunterla­den“, bemängelt Schmidt. Zudem erreiche die Broschüre kürzlich Zugezogene ebenso wenig wie Touristen und Menschen, die gerne in Düsseldorf shoppen.

„Es ist wichtig, solche Angebote online zu kommunizie­ren“, sagt auch Isabel Hausmann, Vize-Geschäftsf­ührerin des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes. Genauso wichtig sei es, die Wickelange­bote auf Orte umzustelle­n, die Männern zugänglich sind. Insgesamt setzt Hausmann auf Freiwillig­keit: „Restaurant­s bedienen nun mal unterschie­dliche Zielgruppe­n. Ob Familien mit Kleinkinde­rn in das jeweilige Konzept passen, darf jeder Unternehme­r für sich entscheide­n.“Für eine bessere Kommunikat­ion will sich auch Holtmann-Schnieder einsetzen.

„Wer wissen will, wo er wickeln und in Ruhe geschützt stillen kann, muss diese Informatio­n sofort und unkomplizi­ert abrufen können“, sagt sie. Marcel Scherrer hofft jetzt auf eine eigene App. „Aus Sicht junger Eltern wäre das großes Kino, weil es unserer Lebenswirk­lichkeit am nächsten käme.“

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Im Jägerhof fühlen sie sich wohl, weil dort beide wickeln können: Sebastian Gandor mit Dominik und Silke Gandor mit Benedikt (im Spiegel).

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