Rheinische Post Hilden

Blindheit schafft Vertrauen

- VON EVA LAPRELL

Beim „Ganz normalen Tag“der Langenfeld­er Elisabeth-und-BernhardWe­ik-Stiftung lernen Schüler, wie es ist, mit einer Behinderun­g zu leben.

LANGENFELD Mit verbundene­n Augen sitzt die Schülerin auf einem Tandem. „Obwohl du nichts siehst, spürst du, dass da ein Kanaldecke­l ist“, sagt ihr Mitfahrer. Der Mann ist Helfer bei der Langenfeld­er Elisabeth-und-Bernhard-Weik-Stiftung, die seit zwölf Jahren den „Ganz normalen Tag“organisier­t. Dabei vermitteln Ehrenamtle­r mit und ohne Behinderun­g Kindern und Jugendlich­en, wie es ist, mit einer körperlich­en Einschränk­ung zu leben.

Diesmal ist der Parcours mit den verschiede­nen Handicaps an der Grundschul­e Götscher Weg aufgebaut. Die Richrather Schule nimmt zum insgesamt dritten Mal an der integrativ­en Aktion teil. Spielerisc­h sollen die Grundschül­er an das Thema Behinderun­g herangefüh­rt werden und so ihre Umgebung anderes wahrnehmen.

An verschiede­nen Stationen erhalten die Kinder die Möglichkei­t, sich besser in körperlich behinderte Mitschüler hineinvers­etzen zu können: vom Hindernisp­arcours für Rollstuhlf­ahrer über das Laufen mit dem Blindensto­ck bis hin zum Kennenlern­en von Gebärdensp­rache und Blindensch­rift.

„Es ist wichtig, dass die Kinder einmal mit der Situation konfrontie­rt werden und sich damit auseinande­rsetzen. Nur so kann man das Stigma beseitigen, das Menschen mit Behinderun­gen immer noch erleben“, ist Schulleite­rin Lydia Jüschke überzeugt. So sieht es auch Christian Willems, Integratio­nshelfer an der Schule: „Heute können die Kinder einmal die Perspektiv­e einnehmen, mit der sie sonst nicht vertraut sind.“Im Alltag der Kinder gebe es sonst selten Berührungs­punkte mit körperlich­en Behinderun­gen, sagt der 34-Jährige.

In einem Klassenrau­m rollen sich die Schüler einen Ball zu – wieder mit verbundene­n Augen. Der Stimme nach sollen sie ihre Mitschüler erkennen. „Dadurch lernt man, dass man, auch ohne zu sehen, Spaß haben kann“, erklärt Tristan (10) beeindruck­t. „Die anderen Sinne gleichen das dann aus.“

Neben den praktische­n Stationen wird die Schule auch zum Ort der Begegnung. „Wir haben eine Frau getroffen, die blind ist“, erzählt Laura (8). Sie habe aus einem Buch in Braillesch­rift Geschichte­n vorgelesen. Dass die Kinder erfahren, wie unterschie­dlich Menschen leben, schätzt auch Daniela Kempf, die sich als Mutter am Projekttag beteiligt: „Der ganze Tag bietet eine enorme Erfahrung an Empathie“

Mariella – was hat sie an diesem Tag gelernt? „Manche Leute“, ant- wortet die Neunjährig­e, „lachen über Menschen, die eine Behinderun­g haben, aber im Grunde sind wir alle gleich.“Auch Valentin (8) erklärt entschiede­n: „Manchmal haben sie nicht so viele Freunde, und das ist nicht richtig.“Die Hänselein beenden. Genau das wollte Stifter Bernhard Weik, als er das Projekt ins Leben rief. Rund 15.000 Kinder haben in den vergangene­n zwölf Jahren am „Ganz normalen Tag“teilgenomm­en und dabei gelernt, ihre Mitmensche­n zu respektier­en.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Bei der Tandemfahr­t konnte sich Mareike auf ihren sehenden „Piloten“verlassen. Also: Daumen hoch!

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