Rheinische Post Hilden

Mit brennenden Reifen gegen israelisch­e Scharfschü­tzen

- VON SUSANNE KNAUL

JERUSALEM Brennende Autoreifen und Steinschle­udern auf der einen Seite, Tränengas und Scharfschü­tzen auf der anderen. Der ungleiche Kampf von palästinen­sischen Demonstran­ten und israelisch­en Sicherheit­skräften im Grenzgebie­t zum Gazastreif­en ging gestern in die zweite Runde. Mindestens vier tote Palästinen­ser und 200 Verletzte meldeten Vertreter der Gesundheit­sbehörden in dem Palästinen­sergebiet mit. Die Zahl der Demonstran­ten blieb mit rund 15.000 weit hinter den Erwartunge­n zurück. Viele Menschen suchten in den Rauchwolke­n der brennenden Reifen Schutz vor den tödlichen Gewehrkuge­ln ihres Gegners. Die gut doppelt so großen Kundgebung­en eine Woche zuvor hatten 22 Menschenle­ben gefordert. Auf israelisch­er Seite stellten Feuerwehrl­eute riesige Ventilator­en gegen den Qualm auf.

Der auf sechs Wochen angelegte Protest, mit dem die Menschen im Gazastreif­en auf ihre wachsende Not aufmerksam machen wollen, war von der radikal-islamische­n Führung der Hamas als friedliche Aktion geplant. Dass es dennoch zahlreiche Tote und mehrere hundert Verletzte gab, liegt an der Hamas, die ihre Landsleute nicht daran hindert, dem Grenzzaun zu nahe zu kommen, und an der Gnadenlosi­gkeit, mit der die israelisch­en Scharfschü­tzen jeden Palästinen­ser aufhalten, der sich zu dicht an die Grenzanlag­en heranwagt.„Entschuldi­gung, aber ich werde nicht schießen“, so heißt es auf Plakaten und Zeitungsin­seraten der israelisch­en Nichtregie­rungsorgan­isation Betselem, die an die Soldaten appelliert, den „ungerechtf­ertigten Befehl“zu verweigern. Ungeachtet der Kritik hält Israel an dem Einsatz der Scharfschü­tzen unterstütz­t von mit Tränengas bestückten Drohnen, den Wasserwerf­ern und Gummigesch­ossen fest. Palästinen­ser im südlichen Gazastreif­en berichtete­n über Zettel mit Warnungen auf Arabisch, die offenbar von Drohnen am Morgen abgeworfen worden waren. „Wer sich dem Zaun nähert, riskiert, erschossen zu werden“, unterstric­h Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman. Israels Sorge ist, dass Menschenme­ngen die Anlagen einreißen und es Terroriste­n ermögliche­n könnten, nach Israel zu kommen. Allein in den vergangene­n Wochen meldete der Sicherheit­sapparat vier Grenzübert­retungen. In drei Fällen konnten die zum Teil mit Messern und Handgranat­en bewaffnete­n Palästinen­ser verhaftet werden. „Israels vorsätzlic­hes Töten unbewaffne­ter palästinen­sischer Demonstran­ten in Gaza darf nicht unge- prüft oder unbestraft bleiben“, forderte die Fatah-Funktionär­in Hannan Aschrawi. Die Bundesregi­erung signalisie­rte Israel gegenüber Klärungsbe­darf wegen der hohen Zahl getöteter und verletzter Palästinen­ser. Eine unabhängig­e Untersuchu­ngskommiss­ion lehnt die israelisch­e Regierung jedoch ab. „Die UN täte besser daran, den Tod einer halben Million Menschen in Syrien zu untersuche­n“, kommentier­te Lieberman. Allerdings will die Armee eine „interne Untersuchu­ng“vornehmen.

Der „Große Marsch der Rückkehr“soll an das Schicksal der vor 70 Jahren aus Israel Geflüchtet­en erinnern, die nun das Recht auf Rückkehr fordern. Die Protestakt­ion mit fünf Zeltstädte­n soll bis zum 15. Mai andauern.

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FOTO: REUTERS Dichter Rauch umhüllt diese palästinen­sischen Demonstran­ten.

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