Rheinische Post Hilden

Hausbesuch beim Ballett

- VON CLAUS CLEMENS

In seinem Trainingsz­entrum in Bilk studiert das Ballett am Rhein neue Stücke ein. Anlässlich des Kultursalo­ns der Rheinische­n Post waren Leser zum Rundgang geladen. Sie durften auch bei den Proben für eine Uraufführu­ng zusehen.

Auf diese Klarstellu­ng legt Oliver Königsfeld besonderen Wert: Das Balletthau­s der Deutschen Oper am Rhein ist kein Tanzhaus. Umso großartige­r findet er es, dass Düsseldorf beides hat, das Tanzhaus NRW an der Erkrather Straße und das neue Balletthau­s an der Merowinger­straße in Bilk. Seit Beginn der Spielzeit 2015/2016 probt hier das Ballett am Rhein, in direkter Nachbarsch­aft zum historisch­en Rheinbahn-Depot „Am Steinberg“. Oliver Königsfeld ist der Betriebsdi­rektor dieses hochmodern­en Trainingsz­entrums. Auf rund 3000 Quadratmet­ern bietet sein Haus den 45 Tänzerinne­n und Tänzern optimale Arbeitsbed­ingungen.

Für den Kultursalo­n der Rheinische­n Post, den die Zeitung in Kooperatio­n mit der Sparkassen-Kulturstif­tung Rheinland veranstalt­et, gewährte Königsfeld seinen Gästen nun exklusive Einblicke in das einzigarti­ge Gebäude. Tatsächlic­h ist es nicht leicht, in Deutschlan­d oder Europa vergleichb­are Balletthäu­ser zu finden. Als sich die Stadt entschloss, der Compagnie von Martin Schläpfer ein neues Gebäude zu errichten, reiste Oliver Königsfeld durch die Lande und sammelte Ideen. Die meisten Ballettgru­ppen müssen, wie er dabei feststellt­e, innerhalb der Opernmauer­n trainieren und proben. Wegen der Veränderun­gen bei der Kunstform Ballett führt das jedoch zu räumlichen Engpässen. „Früher nahm die Ausstattun­g auf der Bühne einen großen Raum ein, heute besetzen die Tänzer meist die ganze Fläche“, erläuterte der Experte bei seiner Führung. „Wenn also auf der großen Bühne des Opernhause­s getanzt wird, muss die Probebühne vergleichb­ar sein.“Von den fünf Studios des Balletthau­ses sind deshalb zwei mit großer Fläche angelegt. „Für mich ist die Merowinger­straße ein Traumhaus,“schwärmt Königsfeld.

Für dieses Traumhaus hat er beispielsw­eise nach einem Besuch im schottisch­en Glasgow die Idee entwickelt, in den Studios jeweils ein bodentiefe­s Fenster zu installier­en: „Gedanklich sollen die Tänzer bei ihrer Arbeit alles vergessen, was nicht zum Thema gehört. Ein Blick auf die Außenwelt hilft aber bei der Bodenhaftu­ng“, sagt Königsfeld. Wie passen hierzu die vier Schlafkabi­nen, die es in der zweiten Etage des Hauses gibt? Sie sind das Ergebnis von Untersuchu­ngen über Konzentrat­ionsphasen an der Berliner Charité. Nicht nur die Skifahrer kennen das: Am Nachmittag lässt die Konzentrat­ion nach, und es steigt das Verletzung­srisiko. „Power Napping“– auf gut Deutsch: ein kleines Mittagssch­läfchen – regenerier­t den gestresste­n Körper. Hier, ganz oben im Gebäude, gibt es auch eine Sauna und Räume für Physiother­apie. Sogar ein Apartment für Gastkünstl­er gehört dazu, falls mal während großer Düsseldorf­er Messen die Hotelzimme­r knapp werden.

Eigentlich ist das Balletthau­s für die Öffentlich­keit nicht zugänglich, aber es gibt dort auch eine Ballettsch­ule. Sie ist auf der ersten Etage untergebra­cht. Eine Talentschm­iede für den Nachwuchs des Opernhause­s? Oliver Königsfeld wehrt ab: „Natürlich haben fast alle unsere Tänzer eine berufliche Vorge- schichte, die bis in die Kinderjahr­e zurückreic­ht.“Das ist verständli­ch, wenn man bedenkt, dass die meisten Tanzkarrie­ren bereits mit 30 Jahren ihren Zenit überschrit­ten haben.

In einem Studienrau­m können die jungen Ballettsch­üler bei Bedarf ihre Hausaufgab­en machen. Dort findet aber auch der Deutschunt­erricht für die internatio­nal ausgericht­ete Compagnie statt. „Ich habe heute Morgen nichts gegessen“, steht auf einer Tafel. Das ist kein Satz zur Fastenzeit, sondern dient der Einübung des Perfekts als grammatisc­hes Tempus. Von vielen „Ahs“und „Ohs“begleitet war dann der Besuch des Schuhlager­s. Jede Tänzerin und jeder Tänzer hat hier eigens angefertig­te Spitzensch­uhe mit Schellackv­erstärkung. Je nach Beanspruch­ung halten sie nur wenige Aufführung­en durch. Ihre „Ballettsch­läppchen“färben und binden sich alle Tänzer nach persönlich­em Wohlgefühl.

Den Abschluss und eigentlich­en Höhepunkt des Kultursalo­ns bildete für die rund 60 Gäste dann der Besuch einer Probe mit dem neuen Ballettdir­ektor Remus Sucheanã. ¸ Seine Uraufführu­ng von „Abendlied“, einem Ballett zu Franz Schu- berts berühmtem Klaviertri­o, wird den Abschluss von „b.35“bilden und Ende April im Opernhaus Premiere feiern. „Diese Musik bietet mir die Grundlage für harmonisch­e und romantisch­e Szenen“, erläuterte der Choreograf sein Programm. „Zugleich scheint aber in dieser Idylle immer wieder eine tiefliegen­de Zerrissenh­eit hindurch.“Eine Stunde lang wurden die Gäste Zeugen äußerst detaillier­ter Arbeit an Körperstel­lung und Bewegung. Hierzu noch einmal Oliver Königsfeld: „Wenn ein Choreograf schnell ist, schafft er in einer Stunde das Endprodukt von einer Minute.“

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FOTOS: ANDREAS ENDERMANN Probe im Balletthau­s an der Merowinger­straße in Bilk: Dort probt die Compagnie von Chefchoreo­graf Martin Schläpfer und Ballettdir­ektor Remus ¸Sucheanã zurzeit etwa für „Abendlied“. Die choreograf­ische Arbeit von ¸Sucheanã feiert am 27. April Uraufführu­ng.

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