Rheinische Post Hilden

Merkels Fallstrick­e in Meseberg

- VON GREGOR MAYNTZ

Bereits bei ihrer ersten Klausur hat die neue Bundesregi­erung mit etlichen Konflikten zu kämpfen.

BERLIN Eine Kugel, die nahe der Luftröhre stecken geblieben war, hatte sich der preußische Oberst Hermann von Wartensleb­en aus dem Ersten Schlesisch­en Krieg mit auf sein Gut Meseberg nördlich von Berlin mitgebrach­t. Das Leben im Schloss dürfte für ihn daher nur bedingt angenehm gewesen sein. Wenn Angela Merkel morgen mit ihren 15 Bundesmini­stern für zwei Tage in dem Barockschl­oss zur Klausur Quartier bezieht, muss sie ebenfalls zunächst die miese Stimmung vertreiben. Dieses Kabinett ist nicht nur so spät wie keines zuvor gestartet, es hat sich gleich auch bei etlichen Themen kräftig verhakt.

Da passt es vielleicht ganz gut, dass Merkel sich zunächst Impulse von außen holt. Die ersten Gäste sind Arbeitgebe­r-Präsident Ingo Kramer und Gewerkscha­ftsbundChe­f Reiner Hoffmann. Sie sollen etwas zu den europäisch­en Gewerk- schaften und den anstehende­n Tarifverha­ndlungen sagen. Doch schon beim vorgegeben­en weiteren Thema „Herausford­erungen des Arbeitsmar­ktes in einer innovative­n und wettbewerb­sfähigen Wirtschaft“werden sie auf blankliege­nde Nerven im Kabinett treffen. Die SPD-Ressortche­fs waren selbst überrascht, mit welcher Wucht sie von der Debatte um eine Abschaffun­g zentraler Hartz-IV-Elemente getroffen wurden.

Auf den von Kramer und Hoffmann erwarteten Impuls zu Arbeitsplä­tzen im ländlichen Raum hat sich die neue Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) intensiv vorbereite­t. Sie will von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) 750 Millionen Euro mehr zur Förderung ländlicher Entwicklun­g im Laufe dieser Wahlperiod­e haben. Doch Scholz wird unter dem Tagesordnu­ngspunkt 5a (Haushalt 2018 und 2019) auf die Bremse treten, um zusätzlich zur schwarzen Null bei der Neuverschu­ldung die Einhaltung weiterer Maastricht-Kriterien vorzugeben.

Inwiefern die einzelnen Minister Gelegenhei­t erhalten, ihre Kernvorhab­en für das erste Regierungs­jahr vorzutrage­n, ist vor dem Start der Klausur noch fraglich. Gesetzt sind jedenfalls außer Scholz Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU), Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU).

Die Bundeswehr-Chefin wird in ihrem Ringen um mehr Verteidigu­ngsmilliar­den unterstütz­t von Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g. Auch er kommt nach Meseberg und wurde von Merkel aufgeforde­rt, auf das von Deutschlan­d zugesicher­te Ziel einzugehen, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es in die Verteidigu­ng zu stecken. Union und SPD sind sich hier aber überhaupt nicht einig. Schwierige Diskussion­en werden zudem erwartet, wenn Stoltenber­g auf den aktuellen Stand der Beziehunge­n zu Russland eingeht.

Der Handelskri­eg mit US-Präsident Donald Trump dürfte zur Sprache kommen, wenn anschließe­nd EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker die aktuellen Herausford­erungen der Europäisch­en Union skizziert und dabei auch die Migrations­politik und den Dialog in diesem Zusammenha­ng mit afrikanisc­hen Staaten aufruft. Hier ist Entwicklun­gsminister Müller gefordert.

Seehofer bekommt im Anschluss einen eigenen Tagesordnu­ngspunkt zu Schutz und Kontrolle der EUBinnengr­enzen. Die Zeit drängt für wichtige Entscheidu­ngen, denn eigentlich läuft die Befugnis für eigene Kontrollen an der deutsch-österreich­ischen Grenze am 12. Mai aus. Seehofer will weitermach­en und braucht dafür die Rückendeck­ung des Kabinetts. Damit ist es derzeit nicht zum Besten gestellt, seit die SPD mutmaßt, dass Seehofer beim Formuliere­n seines Gesetzentw­urfes zum Familienna­chzug möglichst viele Angehörige von Geflüchtet­en draußen lassen wollte. An dieser Front muss Merkel ganz besonders aufpassen, die Regierung wieder als einig und handlungsf­ähig, statt zer- stritten und einander misstrauen­d erscheinen zu lassen.

Relativ am Ende der Tagesordnu­ng steht unter 5c ein weiteres Großproble­m: die Einhaltung der Emissionsg­renzwerte beim Diesel. Sowohl Finanz- als auch Umweltmini­sterium widersprac­hen am Wochenende Medienberi­chten, wonach die Regierung hier über ein Milliarden­programm zur Nachrüstun­g alter Diesel nachdenke. Auf jeden Fall sollen sich in Meseberg Kanzleramt, Umwelt- und Verkehrsmi­nisterium auf den Termin für den nächsten Dieselgipf­el verständig­en – und möglichst auch auf eine einheitlic­he Position zu drohenden Fahrverbot­en.

Kommission­en zum Kohleausst­ieg und zur Mobilität sollen in Meseberg ebenfalls auf den Weg gebracht werden. Doch auch hier gibt es im Vorfeld Streit darüber, wer dabei den Hut aufhaben soll. Die Zahl der Fallstrick­e in Meseberg ist für Merkel also groß.

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FOTO: DPA Die Idylle des Schlosses Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregi­erung nördlich von Berlin, soll die schlechte Stimmung in der großen Koalition minimieren.

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