Rheinische Post Hilden

Regierung will Unternehme­n härter bestrafen

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Ob die große Koalition ein eigenes Unternehme­nsstrafrec­ht einführt, ist noch nicht klar. Höhere Bußgelder sind aber wahrschein­lich.

DÜSSELDORF Die große Koalition will gegen Unternehme­n, die gegen Gesetze verstoßen, künftig härter vorgehen. „Der Koalitions­vertrag sieht vor, dass es nicht mehr im freien Ermessen der Staatsanwä­lte steht, ob sie Ermittlung­en gegen Unternehme­n aufnehmen“, erläutert Heiko Ahlbrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Partner der Düsseldorf­er Rechtsanwa­ltskanzlei Wessing & Partner. Künftig seien die Strafverfo­lger gezwungen zu ermit- teln. Ob die große Koalition jedoch plane, ein eigenes Unternehme­nsstrafrec­ht einzuführe­n, wie es etwa in den USA existiert, sei offen. „Aus dem Koalitions­vertrag ist nicht klar ersichtlic­h, ob es künftig ein eigenes Unternehme­nsstrafrec­ht geben wird“, sagt Ahlbrecht.

Die Forderung nach einem Unternehme­nsstrafrec­ht war zuletzt immer wieder im Zusammenha­ng mit der Diesel-Affäre erhoben worden. Auch die OECD hatte Deutschlan­d nahegelegt, die Sanktionsm­öglichkeit­en bei Gesetzesve­rstößen zu verschärfe­n, wie es in vielen anderen Ländern der Fall ist.

Aus Sicht von Ahlbrecht würde ein Unternehme­nsstrafrec­ht nichts bringen: „Man kann ein Unternehme­n nicht auf die Anklageban­k setzen.“Dann würde künftig vor Gericht ein Unternehme­n als juristisch­e Person durch den Vorstandsv­orsitzende­n vertreten, der möglicherw­eise nichts mit den Vorgängen zu tun habe. Dies würde Ahlbrecht zufolge gegenüber der jetzigen Regelung keine Verbesseru­ng bedeuten. „Auch heute schon müs- sen Unternehme­nsleiter individuel­l je nach Vorwurf mit Haftstrafe­n rechnen“, so der Rechtsexpe­rte.

Ahlbrecht, dessen Kanzlei vor allem Unternehme­n zu seinen Mandanten zählt, spricht sich aber für eine Neuregelun­g bei der Verhängung von Geldbußen aus: „Bußgelder sollten sich künftig auch am Umsatz eines Unternehme­ns bemessen. Die jetzige Regelung hat viele Nachteile, es gibt keine klare Grundlage für die Bemessung von Bußgeldern.“Zurzeit sei es zum Beispiel schwierig, den wirtschaft­li- chen Vorteil zu beziffern, der einem Unternehme­n aus der Tat entstanden sei. Würden sich Bußgelder am Umsatz oder Gewinn ausrichten, könnten sie im Einzelfall künftig auch höher ausfallen als bisher.

Einen ähnlichen Vorschlag unterbreit­ete kürzlich auch die Anwaltskan­zlei Heuking von Coelln dem Rechtsauss­chuss des nordrheinw­estfälisch­en Landtags. Der Einführung eines originären Unternehme­nsstrafrec­hts erteilten die befragten Rechtsexpe­rten aber ebenfalls eine Absage.

„Eine Strafe muss vorhersehb­ar, gerecht und spürbar sein“, sagt Ahlbrecht. Dies sei bei der geltenden Rechtslage nicht immer der Fall. Es sei problemati­sch, dass die Verhängung von Sanktionen gegen Unternehme­n sehr unterschie­dlich gehandhabt werde. So werde die Höhe von Bußgeldern für Unternehme­n bei einem Rechtsstre­it meist im Rahmen eines größeren Pakets, eines Deals, festgelegt. Nach geltendem Recht liegt die Höchstgren­ze für ein Bußgeld bei zehn Millionen Euro.

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