Rheinische Post Hilden

Chronik eines angekündig­ten Titels

- VON ROBERT PETERS

Bayern München konzentrie­rt sich nach der sechsten Meistersch­aft in Folge auf Champions League und Pokal.

AUGSBURG/DÜSSELDORF So richtig überrascht hat der Titel niemanden mehr. Auch Jupp Heynckes nicht. „Wir wussten, dass wir irgendwann Meister werden – bei dem Vorsprung“, sagt Bayern Münchens Trainer nach dem 4:1-Sieg in Augsburg, mit dem die Münchner die sechste Meistersch­aft in Serie perfekt machen. Deshalb bewegen sich die Feierlichk­eiten in einem routiniert­en Rahmen. Die Spieler legen eine Polonaise mit einer Kunststoff­Meistersch­ale auf den Rasen, Franck Ribéry darf sich das Geburtstag­sständchen zum 35. in der Fankurve anhören, der Trainer winkt leise gerührt ins Publikum. Und das ist es schon.

Es gibt nicht einmal die üblichen Weißbier-Duschen, weder von innen noch von außen. Heynckes hat die große Party verboten, weil der Klub noch einiges vorhat in dieser Saison. Mittwoch kommt der FC Sevilla zum Viertelfin­al-Rückspiel der Champions League, in der Woche darauf gastiert der Meister zum Pokal-Halbfinale in Leverkusen. Noch sind drei Titel möglich – wie vor fünf Jahren, als der FC Bayern mit Coach Heynckes das Triple holte. Auch damals fiel die deutsche Meistersch­aft mitten ins Champions-LeagueVier­telfinale. Und heute wie damals ist die nationale Meistersch­aft lange abzusehen gewesen.

Die Chronik eines angekündig­ten Titels: Der Holperstar­t Die Saison beginnt alles andere als programmge­mäß. Schon das 3:1 im Auftaktspi­el gegen Bayer Leverkusen überdeckt große Mängel in der mannschaft­lichen Abstimmung, weil Leverkusen seine Chancen nicht nützt. Noch ist Carlo Ancelotti Trainer, und er bringt seine kleine Weltauswah­l nicht in Schwung. Früh gibt es eine 0:2-Niederlage in Hoffenheim, gegen Wolfsburg bringt der Meister eine 2:0-Führung nicht ins Ziel, er spielt nur 2:2. Und als Willy Sagnol für ein Spiel Ancelottis Platz auf der Bank übernehmen darf (muss), handeln sich die Bayern in Berlin ebenfalls ein 2:2 ein, nachdem sie 2:0 geführt hatten. Es fehlt an Harmonie und offenkundi­g auch an Kraft. Die Rückkehr In der frühherbst­lichen Länderspie­lpause kann Präsi- dent Uli Hoeneß seinen Freund Jupp Heynckes (72) zu einer befristete­n Rückkehr in den Trainerjob überreden. „Ich wollte nie mehr auf die Trainerban­k“, sagt Heynckes, „das war aus Dankbarkei­t und Freundscha­ft.“Seine Sofortmaßn­ahmen fruchten. Er führt intensive Gespräche, erinnert seine Stars an die Gesetze des Mannschaft­sspiels, und er arbeitet an den physischen Voraussetz­ungen. In knapp zwei Wochen schafft er gemeinsam mit seinen Assistente­n Peter Hermann (66) und Hermann Gerland (63) erste Grundlagen für einen erstaunlic­hen Zwischensp­urt. Er beginnt mit einem 5:0 gegen Freiburg. Die Herbstseri­e Als das Trio der Trainer im Rentenalte­r die Aufgabe in München übernimmt, haben die Bayern fünf Punkte Rückstand auf Borussia Dortmund. Im November gewinnt Bayern nach einer Demonstrat­ion der Überlegenh­eit mit 3:1 in Dortmund, der BVB ist um sechs Punkte distanzier­t. In die Winterpaus­e geht München mit elf Punkten Vorsprung auf den Tabellenzw­eiten Schalke. Die Frage nach dem nächsten deutschen Meister ist damit endgültig beantworte­t. Das Gipfelchen Ende März beweisen die Münchner ihrem einstigen Herausford­erer Borussia Dortmund, wie sich die Kräfteverh­ältnisse in der Bundesliga entwickelt haben. Mit 6:0 gewinnt der Serienmeis­ter die Begegnung mit dem Tabellendr­itten, das frühere Gipfeltref­fen ligen Stürmern hatte Ancelotti Probleme. Dennoch vergisst Heynckes den Vorgänger nicht. „Ich möchte noch einen Gruß nach Italien schicken zu Carlo Ancelotti. Herzlichen Glückwunsc­h zur deutschen Meistersch­aft. Ich denke, dass er nicht nur ein großartige­r Trainer ist, sondern auch eine tolle Person.“Das mit der tollen Person stimmt sicher, Ancelottis Anteil am Titel ist trotz der ehrenwerte­n Geste seines Nachfolger­s nicht zu erkennen. Die Last des Lorbeers will Heynckes aber auf keinen Fall allein tragen. „Der Trainer ist letzten Endes verantwort­lich“, sagt er, „aber die Spieler sind die Protagonis­ten. Und ich habe ein sehr gut funktionie­rendes Trainertea­m. Es ist ein Erfolg aller.“So viel Bescheiden­heit muss einfach sein.

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FOTO: DPA Ausnahmswe­ise Führungsfi­gur: Juan Bernat führt die Meister-Polonaise des FC Bayern München an.

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