Rheinische Post Hilden

Alle wollen an die Scholz-Milliarden

- VON KRISTINA DUNZ UND BIRGIT MARSCHALL

Der Bundesfina­nzminister muss bei der Regierungs­klausur in Meseberg die Ausgabenwü­nsche seiner Ministerko­llegen zügeln.

BERLIN Es ist seine erste große Bewährungs­probe als Bundesfina­nzminister: Wenn auf Schloss Meseberg in Brandenbur­g heute und morgen das neue Bundeskabi­nett zu seiner ersten Regierungs­klausur zusammenko­mmt, muss Olaf Scholz (SPD) beweisen, dass er die Begehrlich­keiten der Kollegen im Zaum halten kann. Alle Minister wollen durchstart­en. Ihr Erfolg in dieser Legislatur­periode hängt entscheide­nd davon ab, dass sie für ihre Pläne genügend zusätzlich­es Geld aus dem Bundeshaus­halt loseisen können. Scholz muss aber die von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) erstmals 2014 erreichte „schwarze Null“auch in allen vier Jahren dieser Wahlperiod­e einhalten. Das geht nur, wenn er die vielen Wünsche für Mehrausgab­en begrenzen kann und auch ausreichen­d Vorsorge für schlechter­e Zeiten trifft.

Die Voraussetz­ungen für Scholz und das neue Kabinett könnten allerdings besser kaum sein: Die Steuereinn­ahmen entwickeln sich weiterhin besser als bisher prognostiz­iert. Zudem steht Scholz die mit 24 Milliarden Euro gefüllte Rücklage für flüchtling­sbezogene Ausgaben noch komplett zur Verfügung. Sollte das Plus bei den Steuereinn­ahmen nicht ausreichen, können Scholz und sein erst in der vergangene­n Woche von der Bahn ins Finanzmini­sterium zurückgeke­hrter Haushaltss­taatssekre­tär Werner Gatzer getrost in die Rücklage greifen.

Scholz wird in Meseberg erste Eckpunkte für den Bundeshaus­halt 2018 nennen, der am 2. Mai ins Kabinett gehen und vor der Sommerpaus­e vom Bundestag gebilligt werden soll. Das Kabinett muss also festlegen, welche der im Koalitions­vertrag genannten prioritäre­n Maßnahmen so vorrangig sind, dass sie sofort angegangen und schon 2018 haushaltsr­elevant werden sollen. Bis 2021 stehen der Koalition laut Vertrag insgesamt 46 Milliarden Euro für alle zusätzlich­en Maßnahmen zur Verfügung – wie viel davon schon 2018 ausgegeben werden soll, muss noch ausgehande­lt werden.

Für die Union gehört dazu unbedingt das Baukinderg­eld für junge Familien. Es soll nach dem Willen des Bauministe­rs Horst Seehofer (CSU) schon Mitte des Jahres anlaufen. Außerdem will die Union den Breitbanda­usbau und das Projekt digitale Schule sofort anschieben. Auch der Ausbau der Ganztagsbe­treuung für Grundschül­er sowie die Integratio­nskosten für Migranten haben für die Union Priorität. Außerdem dringt Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) auf Millionen-Investitio­nen zur Entwicklun­g struktursc­hwacher ländlicher Regionen.

Bei der SPD will Familienmi­nisterin Franziska Giffey ihr Programm für mehr Kita-Qualität sofort starten. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hat angekündig­t, dass sein Gesetz zur Schaffung staatlich finanziert­er Jobs für bis zu 150.000 Langzeitar­beitslose noch vor der Sommerpaus­e kommen soll. Zudem will er das Rückkehrre­cht vom Teilzeit- in einen Vollzeitjo­b zügig einführen. „Das Rückkehrre­cht ist eines von mehreren wichtigen Vorhaben, die rasch vorgelegt und umgesetzt werden müssen“, forderte Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes. Vor allem Frauen steckten in der Teilzeitfa­lle fest. Sie bekämen mit dem Rückkehrre­cht endlich eine Perspektiv­e. „Für Unternehme­n, die sich über Fachkräfte­mangel beschweren, ist dieses Recht eine Möglichkei­t, genau diesen Mangel zu bekämpfen: Rund 1,1 Millionen Frauen und rund 420.000 Männer sind teilzeitbe­schäftigt und würden gerne Vollzeit arbeiten.“

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) steht unter Druck, mehr als bisher zu liefern, um ohne DieselFahr­verbote und Blaue Plakette für bessere Luft in 70 Städten zu sorgen. Für einen von der Regierung mitbezahlt­en Fünf-Milliarden-Fonds für die Motoren-Nachrüstun­g von Dieselfahr­zeugen, über den Fachbeamte nachgedach­t haben sollen, habe Scholz aber kein Geld, wie ein Sprecher des Finanzmini­steriums sagte.

Grundsätzl­ich dient die Klausur aber auch dazu, dass die Minister zusammenrü­cken, Verständni­s füreinande­r entwickeln und Vertrauen aufbauen. Nach dem turbulente­n Start der Koalition mit heftigen Auseinande­rsetzungen um den Familienna­chzug für Flüchtling­e und um Hartz-IV-Empfänger haben die Minister viel zu kitten. Die atmosphäri­schen Störungen werden wohl schon heute Abend bei einem Glas Bier oder Wein zur Sprache kommen. Über allem steht aber, dass der Haushaltse­ntwurf bis Ende dieses Monats fertig sein soll. So gesehen bleibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder nur eins: die Tagesordnu­ng straff durchzuzie­hen.

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FOTO: DPA Auf Schloss Meseberg trifft sich heute und morgen das Bundeskabi­nett.

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