Die wankelmütige Werkself
Der 4:1-Sieg in Leipzig wirft die Frage auf: Warum eigentlich nicht immer so?
LEIPZIG Lob für das Gästeteam ist nach Bundesligaspielen quasi obligatorisch. Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl hatte für Bayer Leverkusen allerdings ungewöhnlich viele anerkennende Worte übrig. „Wir haben auch in der Höhe verdient verloren“, räumte der Coach ein. Bayer sei sehr beweglich, dynamisch und gut eingestellt gewesen – und das habe von ihm ständige Anpassungen erfordert: „Taktisch und technisch war es schwer für uns.“
Der 4:1 (1:1)-Sieg in Leipzig ist ein Triumph für die Werkself, die in den vergangenen Wochen strauchelte. Dem Derby-Schock beim 0:2 in Köln folgte eine Nullnummer gegen Augsburg. Die Saison schien auf der Kippe zu stehen. Nun hat sich die Lage mit der Rückeroberung von Platz vier vorerst stabilisiert. Kai Havertz (45.), Julian Brandt (51.), Panagiotis Retsos (56.) und Kevin Volland (69.) erzielten die Tore für Bayer. Marcel Sabitzer hatte sein Team indes früh in Führung gebracht (17.).
Das teils berauschende Spiel zum Wochenstart war allerdings auch nur deswegen möglich, weil beide Teams den schnellsten Weg zum Torerfolg suchten. Gemauert wurde zu keinem Zeitpunkt, dafür gab es bisweilen Chancen im Minutentakt. Gegen auf Spielzerstörung bedachte und bissige Gegner tut sich Herr- lichs Team deutlich schwerer. So pendelte Leverkusen zuletzt zwischen Gala und Tristesse.
„Dieses Spiel sollte die Messlatte sein für unser Auftreten“, sagte Jonathan Tah. So müsse es in den kommenden Wochen weitergehen. Für das Selbstvertrauen sei der klare Sieg Gold wert. „Das ist, was wir ab jetzt jede Woche von uns erwarten müssen.“
Leichter gesagt als getan: Weiter geht es zu Hause gegen Frankfurt (Samstag, 15.30 Uhr), und im Pokalhalbfinale kommt der Meister aus München (17. April, 20.45 Uhr). Es folgt ein Auswärtsspiel in Dortmund (21. April, 18.30 Uhr). „Jetzt geht es darum, sich so durchzusetzen, dass wir dahin kommen, wo wir hinwollen: in die Champions League“, betonte Kapitän Lars Bender.
Es drohen indes drei prominente Ausfälle: Abwehrchef Sven Bender verstauchte sich in Leipzig das linke Sprunggelenk und ist für das Frankfurt-Spiel ebenso wie Torhüter Bernd Leno (Bänderdehnung im rechten Knie) fraglich. Noch schlimmer sieht es bei Linksverteidiger Wendell aus, der sich einen doppelten Bänderriss im linken Sprunggelenk zuzog und wohl vier Wochen ausfallen wird.
Wohl dem, der in Panagiotis Retsos (19), Benjamin Henrichs (19) und Tin Jedvaj (23) gute Alternativen hat. Das eingewechselte Trio überzeugte in Leipzig. Wenn man dann noch Tah (22), Brandt (21), Havertz (18) und Leon Bailey (20) betrachtet, erklärt sich auch die Wankelmütigkeit der Werkself: Sie ist schlicht sehr jung.
„In den letzten 25 Minuten hatten wir eine ältere U19 auf dem Platz“, sagte Herrlich nur halb im Scherz. „Aber alle haben ihre Sache gut gemacht.“Für Ersatzkeeper Ramazan Öczan, der im Ernstfall am Samstag wohl sein erstes Bundesligaspiel für Bayer bestreiten würde, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht: „Wir haben so viel Potenzial im Team, aber Entwicklungen unterliegen immer Schwankungen. Große Sportler lernen aus Fehlern – und auch wir versuchen, die richtigen Schlüsse aus unseren zu ziehen.“