Rheinische Post Hilden

So wurden die „Hexen“im Rheinland verfolgt

- VON GABRIELE HANNEN

Jetzt ist ein recht üppiges Fachbuch mit sehr spannenden Geschichte­n und neuen Ergebnisse­n erschienen.

RATINGEN Wenn wir zu denen gehören, die nicht zaubern können, sind wir Muggel. Zumindest bei Harry Potter. Bei Edgar Wallace gab es dann einen Hexer. Und etwa seit dem 16. Jahrhunder­t wurde den vermeintli­ch zaubernden Frauen in unserer Gegend der Prozess gemacht, der meist mit ihrer Verbrennun­g endete. Erika Münster-Schröer, Leiterin von Medienzent­rum und Stadtarchi­v Ratingen, hat sich in einem umfangreic­hen (Fach)Buch ihrer erklärend angenommen.

Das Herzogtum Kleve-Jülich-Berg hatte in älterer Forschung als eher wenig prozessfre­udig – was die Hexen anbetraf – dagestande­n, was für manche Zeiten und Orte sicher zutraf. Aber Münster-Schröer, die sich seit vielen Jahren mit der Thematik befasst, weist anderes nach.

Sie benutzt als Quellen Gerichtsak­ten und vor allem die Amts- und Stadtrechn­ungen, die sich an zahlreiche­n Orten erhalten haben, und aus denen sich oftmals die Prozesse und Gerichtsve­rfahren ablesen lassen.

Ein Beispiel: Für Düsseldorf ist nur ein einziger und zudem später Hexenproze­ss überliefer­t, der in den Jahren 1737/38 stattfand. Zwei aus dem damals unabhängig­en Gerresheim stammende Frauen wurden wegen des Vorwurfs, Hexen zu sein, Devotional­ien gefälscht, Wunder vorgetäusc­ht und Hostien geschändet zu haben (sie hatten sie in Futtertrög­e geworfen), mit dem Tod durch Verbrennen bestraft.

Der Prozess weist Parallelen zu anderen späten Hexenproze­ssen auf, als umfangreic­he juristisch­e Gutachten erstellt wurden, die weitgehend die gelehrten Schriften der einschlägi­gen Verfolgung­sbefürwort­er zugrunde legten und jene der Kritiker weitgehend ignorierte­n.

In Düsseldorf lebten überwiegen­d Katholiken, erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunder­ts stieg mit dem wirtschaft­lichen Aufschwung die Zahl der Protestant­en. Die Angehörige­n der städtische­n Unterschic­hten nahmen seit dem ausgehende­n 17. Jahrhunder­t stetig zu. Dies führte in der städtische­n Armenfürso­rge zu einer strengen Kontrolle der Bedürftige­n.

Düsseldorf hatte um 1730 etwa 10000 Einwohner, Gerresheim etwa 450. Der Landesherr zeigte sich hart gegenüber Randgruppe­n und umherziehe­ndem Volk wie Juden, Zigeunern und Bettlern. Der Hexenproze­ss fand somit in einer Phase der Verschärfu­ng der Strafverfo­lgung statt. Die umfassende­n Prozessakt­en dokumentie­ren eine auf hohem wissenscha­ftlichen Niveau abgehandel­te juristisch­e Untersuchu­ng; die zitierten Gelehrten waren die einschlägi­gen Verfolgung­sbefürwort­er. Der Düsseldorf­er He-

Hans Müskens xenprozess blieb lange Zeit im Dunkeln. Erst 1878 wurde auf einer Generalver­sammlung des „Historisch­en Vereins für den Niederrhei­n“in Düsseldorf darüber berichtet.

Zu einem breiteren öffentlich­en Thema wurde der Prozess im Jahr 1987, als die Hexenverbr­ennung auf einem Karnevalso­rden dargestell­t wurde.

Hans Müskens, unübertrof­fenes Gedächtnis der Ratinger Kirchenges­chichte und tatkräftig­er Vorsitzend­er der Friedrich-Spee-Gesellscha­ft Düsseldorf, meint bei der Würdigung des Buches: „Bei der umfassende­n Darstellun­g des Themas dürfen die Gegner der Hexenverfo­lgung nicht fehlen, hier vor allem Johann Weyer, der Leibarzt von Herzog Wilhelm V. von Jülich-KleveBerg. Weyer hat das Problem der Hexerei als Arzt untersucht und so maßgeblich Einfluss auf seinen Landesherr­n genommen“.

Nun sind 450 Seiten kein Pappenstie­l. Aber so spannend wie „Der Hexer“ist das Buch voller einzelner Schicksale allemal.

„Die Gegner der Hexenverfo­lgung dürfen bei der umfassende­n Darstellun­g nicht fehlen“

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RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Hans Müskens am Epitaph von Künstler Bert Gerresheim an der Wand der Marienkape­lle in Kaiserswer­th mit Motiven zur Hexenverfo­lgung.
 ??  ?? Eine weitere Arbeit von Bert Gerresheim in Kaiserswer­th.
Eine weitere Arbeit von Bert Gerresheim in Kaiserswer­th.
 ??  ?? Ein symbolhaft­er Holzschnit­t zum Leben der Hexen.
Ein symbolhaft­er Holzschnit­t zum Leben der Hexen.

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