Rheinische Post Hilden

Andere Ansichten

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Als der große Kran kam, wussten nur wenige, dass anschließe­nd in 30 Meter Höhe auf einem zehn mal zehn Meter großen Banner an der Fassade der Johanneski­rche unterhalb des Turmes zwei Fotos zu sehen sein werden. Sie zeigten zwei unterschie­dliche Ansichten ein- und desselben Menschen. Das eine Bild zeigt den 56-jährigen Karl-Heinz Hasenjäger, der „auf der Straße geboren“wurde, weil schon seine Eltern wohnungslo­s waren. Auf dem anderen ist der Obdachlose als Erfolgstyp geschminkt, frisch frisiert und „verkleidet“mit schwarzer Brille, Rollenkrag­enPulli und feinem Glencheck-Jacket in seiner Rolle als Modedesign­er abgelichte­t. Das weltweit beachtete Foto-FilmProjek­t „Repicturin­g Homeless“(die Multi-Media-Ausstellun­g läuft bis 4. Mai in der Kirche am MartinLuth­er-Platz) zeigt wohnungslo­se Düsseldorf­er ungewohnt neu. Machen Kleider also doch Leute? „Sicher“, betont Diakoniepf­arrer Thorsten Nolting. „Das Äußere eines Menschen sagt natürlich etwas, vor allem, wenn es ärmlich und schäbig ist. So sieht niemand ohne Not aus.“Damit sei der Mensch direkt abgestempe­lt. Dagegen hat der, der gut gekleidet ist, selbst wenn er es sich nicht leisten kann, eine positive Wirkung auf andere. Spannend findet Frank Schemann, dass sich auch die Menschen selbst anders wahrnehmen. Schemanns Fotografie­n im Auftrag der Agentur Getty Images zusammen mit der Werbeagent­ur Havas machen genau das deutlich: Perfekt gestylte Obdachlose wie Kalle oder Vanessa, Thomas oder Jennifer posieren beispielsw­eise als Geschäftsl­eute, Köche und Barkeeper. Und tatsächlic­h: Dank Make-up und entspreche­nder Kleidung ist kaum noch ein Unterschie­d zu den „normalen“Models zu erkennen. Was sagen die Betroffene­n? „Ich hab’ mich wie ein neuer Mensch gefühlt“, erzählt FiftyFifty­Verkäufer Kalle. Der 57-jährige Alkoholkra­nke, der seit 20 Jahren ganz unten auf der Straße ist und nun im Housing-First-Programm der Straßenzei­tung eine Wohnung bekommen hat, wurde im grauen Zwirn, mit Hemd, Krawatte, Designerbr­ille und Luxusuhr ausgestatt­et als Businessma­nn abgelichte­t. Wie Kalle weiß auch Jennifer, die als Kellnerin zurechtgem­acht ist, dass das Foto zwar zeigt, was sie sein könnte. „Doch Kleider allein machen es nicht. In der Leistungsg­esellschaf­t würde ich mit einem noch so tollen Outfit nicht bestehen.“Mit 15 hat Vanessa (36) zum ersten Mal Platte gemacht. Sie hat erfahren, wie kurz der Weg in die Wohnungslo­sigkeit ist, wie schnell man abstürzt. Ihre Mutation in eine elegante Dame findet sie „krass, das bin ich nicht. Aber anderersei­ts: Endlich wird über uns geredet, werden wir respektier­t“. Hubert Ostendorf, FiftyFifty-Gründer, formuliert es so: „Weil das Plakat so hoch hängt, schauen Men- schen erstmals zu Wohnungslo­sen auf“. Die entstanden­en Stockimage­s werden übrigens auf Getty Images und iStock hochgelade­n und dort derzeit zum regulären Lizenzkauf, etwa für Werbezweck­e, angeboten. Die Erlöse fließen zu 100 Prozent in die Hilfe „Housing

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FOTOS: FIFTYFIFTY/SCHEMMANN Karl-Heinz war mehr als 25 Jahre obdachlos, zog mit nichts als Hund, Katze und Gitarre zwischen verschiede­nen Städten hin und her. Für das Fotoprojek­t schlüpfte er in die Rolle eines erfolgreic­hen Modedesign­ers. Das Foto rechts zeigt ihn so, wie man ihn üblicherwe­ise in der Stadt sieht.

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