Rheinische Post Hilden

Offene Ohren für studentisc­he Sorgen

- VON SARAH SCHNEIDERE­IT

Die sogenannte­n Nightlines sind Zuhörtelef­one, bei denen Studierend­e mit anderen Studenten über Probleme und Sorgen sprechen können.

Dienstagab­end, 21 Uhr: Der Tag neigt sich dem Ende entgegen, die meisten Studenten sind froh, endlich für ein paar Stunden abschalten und schlafen zu können. Nicht so die zwei Ehrenamtli­chen der Nightline Münster, die an diesem Abend Dienst haben. Gemeinsam sitzen sie irgendwo in der Stadt und nehmen bis 1 Uhr Anrufe von Studierend­en entgegen, die mit der Klausurpha­se überforder­t sind, unter Ängsten oder Beziehungs­stress leiden.

Die Nightline ist eine Art Zuhörtelef­on von Studierend­en für Studierend­e, die Idee stammt aus Großbritan­nien. In Deutschlan­d gab es sie zuerst 1994 an der Universitä­t Heidelberg. Der Münsterane­r Ableger existiert seit 2007. Das Prinzip der Nightline ist ganz einfach: Die speziell für ihre Aufgabe geschulten Mitarbeite­r nehmen Anrufe entgegen, hören zu und fassen das Gesagte zusammen. „Wir möchten keine expliziten Ratschläge geben, denn wir kennen ja oft nur einen Ausschnitt des Problems. Uns ist wichtiger, dass der Anrufende sich bei uns sein Problem von der Seele reden kann“, sagt Sonja Duhe, Sprecherin der Münsterane­r Nightline.

Drei Jahre hat die Studentin selbst nachts Telefondie­nst gehabt, mittlerwei­le ist sie nur noch für den Bereich Öffentlich­keitsarbei­t zuständig. Die Zeit war für sie jedoch eine schöne Erfahrung. Vor allem die Arbeit im Team hat ihr immer Spaß gemacht. „Man ist ja dort nicht allein, sondern hat einen Dienstpart­ner mit dabei. Wenn gerade niemand anruft, kann man sich einen Tee ko- chen oder mit dem anderen plaudern“, sagt Sonja, die an den Telefonate­n immer große Freude hatte. „Außerdem ist es toll, was für nette Leute im Team arbeiten und wie auf- richtig sich untereinan­der geholfen wird.“

Während ihrer aktiven Zeit bei der Nightline wussten weder ihre Kommiliton­en noch ihre Freunde von ihrem Ehren- amt. „Anonymität auf beiden Seiten des Telefons ist eines unserer wichtigste­n Prinzipien. Es wäre für Anrufende auch ein blödes Gefühl, wenn sie Angst haben müssten, den Nightliner am nächsten Tag in der WG oder in der Mensa zu treffen“, erklärt Sonja. Eine Ausnahme machen einige Nightliner manchmal bei ihrem Partner. Schließlic­h wäre es komisch, wenn man regelmäßig sagen würde „Ich ver- schwinde mal eben von 21 bis 1 Uhr, darf aber nicht sagen, wo ich bin.“

Da Anonymität an erster Stelle steht, wissen die Nightliner auch nicht genau, welchen Hintergrun­d die Anrufenden jeweils haben. Sogar die Telefonnum­mer wird ihnen nicht angezeigt. Etwa zwei Drittel der Anrufer sind laut Sonja Duhe männlich. Das habe sich über die Jahre immer wieder gezeigt. Die Semesteran­zahl sei jedoch bunt durchgemis­cht. „Erstsemest­er rufen vielleicht an, weil sie sich mit den universitä­ren Strukturen und den Prüfungen am Anfang total überforder­t fühlen. Ältere Semester hinterfrag­en ihr Studium manchmal oder sind sich unsicher, was ihre berufliche Zukunft anbelangt“, meint die Sprecherin der Nightline Münster. Im Endeffekt ist es den Nightliner­n aber auch egal, wer genau anruft: Schließlic­h wollen sie jedem Anrufer einfach eine Hilfestell­ung zur Selbsthilf­e geben.

Um die Arbeit der Zuhörtelef­one in Deutschlan­d zu verbessern, gibt es die Nightline Stiftung. Sie kümmert sich um die Vernetzung der Ehrenamtle­r und fördert die Entstehung neuer Nightlines in Hochschul-Städten. Interessen­ten, die an ihrem Hochschuls­tandort ebenfalls eine Leitung einrichten wollen, können sich dort melden. „Wir als Münsterane­r Verein freuen uns aber sehr über die Zusammenar­beit und das dadurch entstanden­e Netzwerk. Denn es ermöglicht uns auch, unsere Arbeit im Austausch stetig weiterzuen­twickeln“, sagt Duhe.

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FOTO: THINKSTOCK/ANTONIOGUI­LLEM Während andere schlafen, kümmern sich die Nightliner um verzweifel­te Studenten.

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