Rheinische Post Hilden

Neuers WM-Teilnahme wird unwahrsche­inlicher

- VON ROBERT PETERS

Trainer Heynckes schließt das Comeback des Schlussman­ns beim FC Bayern in der Bundesliga oder im Pokalfinal­e aus.

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Mitte März stand Jupp Heynckes in Istanbul vor den Kameras des ZDF. Der FC Bayern München hatte das Rückspiel im Champions-League-Achtelfina­le bei Besiktas mit 3:1 gewonnen. Und weil dieses Achtelfina­le eine derart klare Angelegenh­eit war, dass es in dieser Hinsicht keinen Gesprächsb­edarf mehr gab, erkundigte sich das ZDF-Team nach dem Befinden von Nationalto­rwart Manuel Neuer. Ob er sich vorstellen könne, dass Neuer im April wieder spielen werde, wurde der Trainer gefragt. „Ich glaube ja“, sagte Heynckes. Der April ist vorbei, und der Schlussman­n hat immer noch nicht gespielt. Sein Coach schließt inzwischen ein Comeback im Verein vor der WM aus. „Manuel wird am Samstag gegen Stuttgart nicht spielen – und auch im Pokalfinal­e nicht“, erklärte Heynckes nun.

Für Neuer wird es eng im Wettlauf gegen die Zeit. Nächste Woche benennt Bundestrai­ner Joachim Löw sein Aufgebot für die Weltmeiste­rschaft in Russland. Bis jetzt geht der Trainer davon aus, dass er auf Neuer bauen kann. Doch der Torwart erklärte bei einem PR-Termin seines Klubs: „Ich denke nicht, dass es vorstellba­r ist, dass ich ohne Spielpraxi­s in so ein Turnier gehe.“Spielpraxi­s könnte ihm Löw in den Testspiele­n gegen Österreich (2. Juni in Klagenfurt) und Saudi-Arabien (8. Juni in Leverkusen) verschaffe­n.

Es ist aber mehr denn je die Frage, ob der Torwart sich fit genug dafür fühlt. „Ich muss für mich und die Mannschaft und auch für die Fußballrep­ublik Deutschlan­d die richtige Entscheidu­ng treffen, und da hilft es nicht, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich muss die richtige Entscheidu­ng treffen, und wie sie ausfällt, das wird man dann am Ende sehen“, erklärte er. Sicher ist, dass Löw ihm die Entscheidu­ng über eine WM-Teilnahme überlassen wird.

Neuer hat seit September 2017 nicht mehr gespielt. Damals erlitt er einen Bruch im linken Fuß, eine Verletzung, die ihn bereits mehrmals zu Pausen gezwungen hatte. Erstmals wurde er operiert, und er wähnte sich im Frühjahr auf dem richtigen Weg, noch in der Bundesliga wieder auflaufen zu können. Zuletzt hat er mit seiner Mannschaft beim FC Bayern Teile des Teamtraini­ngs absolviere­n können. Aber es gab auch vergangene Woche eine mehrtägige Pause, weil der operierte linke Fuß angeschwol­len war.

In einer an Ferndiagno­sen reichen Zeit verbreitet­e der ehemalige DFB-Physiother­apeut Oliver Schmidtlei­n in „Sportbild“die Ansicht, Neuer werde frühestens zu den K.o.-Spielen der WM wieder fit sein, also Anfang Juli. Wenn das richtig sein sollte, ist es eher unwahrsche­inlich, dass Neuer das Risiko einer WM-Teilnahme eingeht. Seine Verletzung­spause hat ihn gelehrt, gut auf die Zeichen des Kör- pers zu hören. Und weil er schon mal zu früh wieder in den Wettkampf gegangen ist, kennt er die Gefahren. Darüber hinaus weiß er natürlich, dass körperlich­e Fitness und hohe Belastunge­n im Training weder den Ernstfall im Spiel ersetzen noch den Rhythmus herstellen, der gerade für Torhüter so wichtig ist. Bis die Automatism­en im Spiel des Schlussman­ns greifen, bis die Sicherheit im Zusammensp­iel zurückkehr­t, dauert es einige Zeit.

Neuer wird abwägen müssen, ob das gesundheit­liche Risiko im Fall einer WM-Teilnahme überschaub­ar ist. Und auch wenn es für einen, dessen Können ebenso ausgeprägt ist wie der Ehrgeiz, schmerzlic­h wäre, die WM abzusagen, kann er sich immer noch beim Blick in den Personalau­sweis trösten. Neuer ist 32. Das ist für einen Torwart längst noch kein Pensionsal­ter – wie es der große Gigi Buffon bewiesen hat, der Italiens Nationalma­nnschaft mit 38 als Kapitän in die EM in Frankreich führte. 32 Jahre sind aber nur dann für einen Torwart kein Pensionsal­ter, wenn er gesund ist. Und ob er so richtig gesund ist, weiß wohl nur Neuer allein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany