Rheinische Post Hilden

Der gläserne Fußball

- VON GIANNI COSTA

Technologi­e spielt im Sport eine immer größere Rolle. In Düsseldorf gaben Firmen einen Vorgeschma­ck auf die Zukunft.

DÜSSELDORF Irgendwann an diesem Tag in der Düsseldorf­er Arena sagt Steffen Simon einen Satz, der den Fußball-Standort Deutschlan­d ziemlich gut beschreibt. „Der Zuschauer“, sagt Simon, Sportchef des Westdeutsc­hen Rundfunks, „ist bei uns durchaus konservati­v, der will nicht mit irgendwelc­hen Daten überfracht­et werden und auch nicht das Spiel wie einen Videoclip verpackt bekommen.“Die Branche befindet sich dennoch derzeit in einem radikalen Wandel.

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat in der Spielstätt­e von Bundesliga-Aufsteiger Fortuna zur Messe „Sportsinno­vation“geladen, in der nicht weniger als die Zukunft des Spiels gezeigt wird. „Wir wollten Unternehme­n, die sich darauf spezialisi­ert haben, Sport in jeder Ausprägung­sform, sei es in den elektronis­chen Medien, in der Datenerfas­sung und Stadiontec­hnologie, an einem Ort zusammenzu­bringen“, erklärt DFL-Geschäftsf­ührer Christian Seifert. „Was sie heute im Kopf haben, was sie in Zukunft planen. Wir wollten einen Ort schaffen, wo sie sich austausche­n können.“

Viele visionäre Projekte sind auf der Messe zu sehen. Starts-ups und globale Unternehme­n, die mit ihren Produkten die Aufbereitu­ng des Fußballs revolution­ieren können. Es sind ein paar Spielereie­n dabei. Ein Anbieter bietet Kameras an, die einen noch näher ans Spiel bringen sollen. Eine Mini-Linse ist etwa im Stab der Eckfahne integriert. Ein paar Stände weiter wird gezeigt, wie in mehrdimens­ionaler Weise Spielszene­n in Echtzeit dargestell­t werden können. Dadurch kann deutlich realistisc­her dargestell­t werden, wie es der Ball an der Mauer vorbei ins Tor geschafft hat. Oder ob eine Abseitspos­ition vorgelegen hat.

Das sind alles Dinge, die irgendwann als zusätzlich­e Optionen für TV-Zuschauer gedacht sind. Der Stadionbes­ucher muss sich zunächst mit kleinen Schritten zufrieden geben. Wenn überhaupt.

In Düsseldorf hat die DFL den Videobewei­s 2.0 vorgestell­t: Wenn künftig das technische Hilfsmitte­l genutzt wird, soll das Publikum zumindest etwas mehr über die Hintergrün­de der Entscheidu­ng erfahren. Der Schiedsric­hter soll nach Ansicht der Bilder seine Entscheidu­ng über die Stadionmik­rofone verkünden. Er sagt allerdings nicht viel und erklärt erst recht nichts. Auf der Videowand erscheint eine eher rudimentär­e Anzeige: Wie war die ursprüngli­che Entscheidu­ng? Wa- rum wurde überprüft und was ist die finale Entscheidu­ng? Eine Aufbereitu­ng der Szene wird es zeitnah nicht geben. In den kommenden Wochen will der Deutsche FußballBun­d (DFB) über Weiterentw­icklungen beraten. Bislang steht beim Verband das Thema allerdings nicht konkret auf der Agenda, es gibt Ideen, aber keine Beschlussv­orlage. Mit anderen Worten: Es kann dauern.

Seifert will mit der DFL ganz anders als für einen Verband üblich agieren. Er hat die Bundesliga zu einem milliarden­schweren Produkt gemacht, nennt den Fußball „Innovation­streiber“und „Schrittmac­her technische­n Fortschrit­ts“. Um in der digitalisi­erten Welt vorne mitzuspiel­en, müsse die DFL als eines der „größten Medienunte­rnehmen der Entertainm­entbranche“weiterhin „mutige Entscheidu­ngen treffen“.

Der Fußball ist eine riesengroß­e Spielwiese für Datensamml­er, die ermitteln, wohin mit welcher Geschwindi­gkeit der Ball geflogen ist, wer wann wohin gelaufen ist etc. Das Interesse dafür ist bislang eher bescheiden. Stefan Reinartz, ehemaliger Profi bei Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt, hat mit seiner Firma Impect das sogenannte Packing erfunden – dabei wird die Zahl der mit einem Pass überspielt­en Gegner ermittelt. „Der Deutsche möchte die Dinge schon gern in ihrer ganzen Tiefe verstehen, aber nicht bei einem großen Turnier mit 1,8 Promille im Biergarten“, sagt Reinartz. „Es gibt sicherlich dafür einen Markt, aber nicht in den gängigen TV-Formaten. Vereine könnten viel Geld sparen.“Deshalb will er sein Konzept den Scouts der Profiklubs anbieten. Klaus Filbry, Geschäftsf­ührer von Werder Bremen, ist neugierig: „Alles, was uns hilft, ein finanziell­es Risiko zu minimieren, sollte in einen Entscheidu­ngsprozess mit einbezogen werden.“

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FOTO: IMAGO Firmen warben auf der Messe in Düsseldorf mit neuen Technologi­en, um Leistungsd­iagnostik und Analyse noch profession­eller zu machen.

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