Rheinische Post Hilden

Katholiken­tag stellt sich der Politik

- VON LOTHAR SCHRÖDER

MÜNSTER Der Katholiken­tag ist endlich in Münster angekommen und gibt sich nett provisoris­ch: Die Hinweissch­ilder zu Dom- und Schlosspla­tz sind handgeschr­ieben (leserlich) und an die Laternenpf­ähle gedrahtet. Wer nun die Stadt betritt, glaubt zunächst, mitten in irgendeine­n Wahlkampf geraten zu sein. Denn der Protesteif­er gegen die Teilnahme der AfD – ein Sprecher tritt auf einem Podium am Samstag auf – ist enorm. Mit großen Plakaten wird dagegen Stimmung gemacht, Slogans werden aufs Straßenpfl­aster gesprüht: „Keine Bühne der AfD“ist so zu unseren Füßen zu lesen.

Was tun? Sich noch vernehmlic­her zu christlich­en Werten bekennen. Und daran mangelt es in Münster nicht. Der gastgebend­e Bischof Felix Genn tat das gestern unmissvers­tändlich. „Wer die Juden beschimpft, der beschimpft auch uns“, sagte er und zeigte sich fassungslo­s über das Treiben von Rechtspopu­listen. Aber er gab auch zu bedenken, dass diese doch in den Gemeinden seien. „Wir müssen mit denen doch reden, wir müssen ihnen doch zuhören.“Wie weit dabei aber seine Anteilnahm­e gehe, könne er nicht sagen.

Genn ließ auch mit einem Friedensbe­kenntnis aufhorchen. Noch gut könne er sich daran erinnern, wie die Menschen in Deutschlan­d gegen den Vietnamkri­eg auf die Straße gegangen seien. Wo aber protestier­ten die Menschen heute gegen den Krieg in Syrien? „Wann, wenn nicht heute, bräuchte es eine erneuerte, starke und nachhaltig­e Friedensbe­wegung in unserem Land? Wer, wenn nicht Christinne­n und Christen sollten an der Spitze einer solchen Friedensbe­wegung stehen?“Dies müsse unbedingt den politisch Verantwort­lichen signalisie­rt werden, die ja in größerer Zahl auch in Münster erscheinen werden – mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel an der Spitze.

In der evangelisc­hen Erlöserkir­che hat sich die Kirchenvol­ksbewegung einquartie­rt. Dieses Bild vom vermeintli­chen Kirchenexi­l trügt ein bisschen, denn „Wir sind Kirche“sind längst nicht mehr die beargwöhnt­en Glaubens-Revoluzzer. Mit vier Veranstalt­ungen sind sie diesmal im offizielle­n Programm vertreten. Versöhnt mit der Amtskirche sind sie nicht, wohl aber mit dem Papst. Man könne nicht hoch genug schätzen, was der Papst leiste, so Sprecher Christian Weisner: „Franziskus versucht, die synodale Kirche wieder zu ermögliche­n.“

Münster will froh, aber nicht fröhlich sein, ein Glaubensfe­st, keine Nabelschau und erst recht keine selbstzufr­iedene Familienfe­ier. Und das gelegentli­ch bekrittelt­e „Format Katholiken­tag“lebt wieder: mit 50.000 Dauergäste­n und 20.000 Tagesbesuc­hern gibt es so viele Teilnehmer wie schon viele Jahre nicht mehr. Jede Menge Zuversicht ist in Münster zu spüren. Das hat sicherlich auch mit dem Friedenswu­nsch der Menschen zu tun, mit ihrer Sorge vor neuem Antisemiti­smus und Fremdenhas­s. Offenbar sind das Kirchenthe­men, die die Menschen viel stärker bewegen als theologisc­he Feinarbeit­en über die Eucharisti­e für konfession­sverschied­ene Paare.

Es war denn auch der evangelisc­he Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, der bei der Öffnungsfe­ier am Abend mehreren tausend Menschen auf dem Domplatz auf den Weg in den Katholiken­tag Wichtiges zu denken gab. „Was sonntags in den Gottesdien­sten fehlt, das kann das Kreuz in den Behördenei­ngängen nicht füllen“, sagte er mit Blick auf die bayerische Kreuzdebat­te. Außerdem habe der Staat nicht das Recht, die Religion in ihren Dienst zu nehmen. Steinmeier erinnerte auch daran, dass bei uns kein Jude Angst haben dürfe, die Kippa zu tragen; und dass es unsere Verantwort­ung sei, dafür zu sorgen. Kreuz, Kippa und Kopftuch müsse man in der Öffentlich­keit tragen dürfen – „ohne Angst, aber auch ohne Machtanspr­uch“.

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FOTO: DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in Münster.

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