Rheinische Post Hilden

Die hohe Kunst des Mauerns

- VON THOMAS REISENER

Auch nach ihrem Rücktritt als Agrarminis­terin belastet Christina Schulze Föcking die Regierung. Schon gestern sollte Ministerpr­äsident Armin Laschet dem Plenum Rede und Antwort stehen. Er zog es vor, sich vertreten zu lassen.

DÜSSELDORF Um 15.40 Uhr wurde es Hannelore Kraft ( SPD) zu bunt. „Herr Stamp, ich frage Sie: Wann wurden Sie über den Hackerangr­iff informiert? Und wann über den Ermittlung­sstand, dass es sich nicht um einen Hackerangr­iff, sondern um eine Fehlbedien­ung gehandelt hat?“, fragte sie und versuchte so, den stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten aus der Reserve zu locken.

Es kommt nicht mehr oft vor, dass die ehemalige Ministerpr­äsidentin sich im Plenum des Landtages zu Wort meldet. Seit ihrer Abwahl vor einem Jahr hält sie sich zurück. Aber den schneidend­en Ton, mit dem sie die damalige Opposition früher gerne in die Schranken wies, kann sie immer noch abrufen.

Heute ist die Opposition von damals Regierung. Und die hat gerade ein echtes Problem. Fast 90 Minuten lang musste sie gestern im Plenum erklären, was rund um das schwarz-gelbe Kabinett und die Staatskanz­lei im Fall Schulze Föcking (CDU) alles schieflief. Die Agrarminis­terin trat am Vortag zurück, nachdem sie der Landesregi­erung eine peinliche Hacker-Affäre eingebrock­t hatte.

Am 15. März rief Schulze Föcking die Polizei in der Sorge, dass Hacker sich Zugriff auf ihren Fernseher verschafft hatten. Rund zwei Wochen später stellte sich vorläufig und rund vier Wochen später wohl endgültig heraus, dass der vermeintli­che Hacker-Angriff nur ein Bedienfehl­er war. Trotzdem spielte Schulze Föcking noch am 25. April im Landtag das Opfer. Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) ließ die Öffentlich­keit sogar noch am 4. Mai bei einer Pressekonf­erenz über den neuen Sachstand im Unklaren.

Deshalb wollte die Opposition gestern im Landtag eigentlich auch Laschet selbst befragen: Warum gab er in der Sache nicht früher Entwarnung? Hätte er seine Agrarminis­terin nicht von dem Vortäusche­n einer Opferrolle abhalten müssen? Und was genau hat seinen Regierungs­sprecher Christian Wiermer eigentlich dazu bewogen, schon am Tag nach dem vermeintli­chen Hacker-Angriff (16. März) unter Berufung auf „Informatio­nen der nordrhein-westfälisc­hen Ermittlung­sbehörden“über Versuche von Unbekannte­n zu berichten, „auf persönlich­e Daten der Ministerin“zuzugreife­n? Diese Versuche seien demnach „mindestens teilweise“auch erfolgreic­h gewesen.

Aber Laschet tauchte nicht auf. Er machte von seinem Recht gebrauch, die Antworten einem Ministerko­llegen zu überlassen. Und so musste die Opposition mit Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU) Vorlieb nehmen. Der zelebriert­e mit enormer Geistesgeg­enwart unter Einhaltung sämtlicher Auskunftsp­flichten und mit betontem Gleichmut 90 Minuten lang die hohe Kunst des Mauerns. Armin Laschet sei „in Gespräche am Rande des Plenums“eingebunde­n, ließ Lienenkämp­er die Opposition wissen und beschied Kraft, doch bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass er und nicht der angesproch­ene Joachim Stamp in dieser Fragestund­e ihr Ansprechpa­rtner sei.

Die frühe Erklärung des Regierungs­sprechers, es habe einen teilweise erfolgreic­hen Zugriff auf persönlich­e Daten von Schulze Föcking gegeben, rechtferti­gte Lienenkämp­er unter anderem mit einer internen Polizeimel­dung vom Tag der Anzeige und einem damals noch geheimen Schreiben des Staatsschu­t- zes. Zumindest aus diesen beiden Schreiben geht aber nicht hervor, dass die Ermittler von einem erfolgreic­hen Zugriff auf die Daten der Ministerin ausgingen.

Dass die Landesregi­erung ihren Hacker-Fehlalarm erst mehrere Wochen, nachdem sie selbst davon wusste, eingeräumt hat, erklärte Lienenkämp­er damit, dass das Ermittlung­sverfahren offiziell noch immer nicht abgeschlos­sen ist. Gleichwohl informiert­en die Ermittler die Ministerin schon am 29. März und nochmals am 18. April darüber, dass sie nicht mehr von einem Hacker-Angriff ausgingen. Diese Informatio­nen habe auch die Landesregi­erung jeweils „zeitnah“erhalten, so Lienenkämp­er.

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FOTO: DPA Ein Platz bleibt leer: Agrarminis­terin Christina Schulze Föcking saß im Landtag zwischen den Ministern Hendrik Wüst (l./Verkehr) und Stephan Holthoff-Pförtner (Europa, alle CDU).

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