Die hohe Kunst des Mauerns
Auch nach ihrem Rücktritt als Agrarministerin belastet Christina Schulze Föcking die Regierung. Schon gestern sollte Ministerpräsident Armin Laschet dem Plenum Rede und Antwort stehen. Er zog es vor, sich vertreten zu lassen.
DÜSSELDORF Um 15.40 Uhr wurde es Hannelore Kraft ( SPD) zu bunt. „Herr Stamp, ich frage Sie: Wann wurden Sie über den Hackerangriff informiert? Und wann über den Ermittlungsstand, dass es sich nicht um einen Hackerangriff, sondern um eine Fehlbedienung gehandelt hat?“, fragte sie und versuchte so, den stellvertretenden Ministerpräsidenten aus der Reserve zu locken.
Es kommt nicht mehr oft vor, dass die ehemalige Ministerpräsidentin sich im Plenum des Landtages zu Wort meldet. Seit ihrer Abwahl vor einem Jahr hält sie sich zurück. Aber den schneidenden Ton, mit dem sie die damalige Opposition früher gerne in die Schranken wies, kann sie immer noch abrufen.
Heute ist die Opposition von damals Regierung. Und die hat gerade ein echtes Problem. Fast 90 Minuten lang musste sie gestern im Plenum erklären, was rund um das schwarz-gelbe Kabinett und die Staatskanzlei im Fall Schulze Föcking (CDU) alles schieflief. Die Agrarministerin trat am Vortag zurück, nachdem sie der Landesregierung eine peinliche Hacker-Affäre eingebrockt hatte.
Am 15. März rief Schulze Föcking die Polizei in der Sorge, dass Hacker sich Zugriff auf ihren Fernseher verschafft hatten. Rund zwei Wochen später stellte sich vorläufig und rund vier Wochen später wohl endgültig heraus, dass der vermeintliche Hacker-Angriff nur ein Bedienfehler war. Trotzdem spielte Schulze Föcking noch am 25. April im Landtag das Opfer. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ließ die Öffentlichkeit sogar noch am 4. Mai bei einer Pressekonferenz über den neuen Sachstand im Unklaren.
Deshalb wollte die Opposition gestern im Landtag eigentlich auch Laschet selbst befragen: Warum gab er in der Sache nicht früher Entwarnung? Hätte er seine Agrarministerin nicht von dem Vortäuschen einer Opferrolle abhalten müssen? Und was genau hat seinen Regierungssprecher Christian Wiermer eigentlich dazu bewogen, schon am Tag nach dem vermeintlichen Hacker-Angriff (16. März) unter Berufung auf „Informationen der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden“über Versuche von Unbekannten zu berichten, „auf persönliche Daten der Ministerin“zuzugreifen? Diese Versuche seien demnach „mindestens teilweise“auch erfolgreich gewesen.
Aber Laschet tauchte nicht auf. Er machte von seinem Recht gebrauch, die Antworten einem Ministerkollegen zu überlassen. Und so musste die Opposition mit Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) Vorlieb nehmen. Der zelebrierte mit enormer Geistesgegenwart unter Einhaltung sämtlicher Auskunftspflichten und mit betontem Gleichmut 90 Minuten lang die hohe Kunst des Mauerns. Armin Laschet sei „in Gespräche am Rande des Plenums“eingebunden, ließ Lienenkämper die Opposition wissen und beschied Kraft, doch bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass er und nicht der angesprochene Joachim Stamp in dieser Fragestunde ihr Ansprechpartner sei.
Die frühe Erklärung des Regierungssprechers, es habe einen teilweise erfolgreichen Zugriff auf persönliche Daten von Schulze Föcking gegeben, rechtfertigte Lienenkämper unter anderem mit einer internen Polizeimeldung vom Tag der Anzeige und einem damals noch geheimen Schreiben des Staatsschut- zes. Zumindest aus diesen beiden Schreiben geht aber nicht hervor, dass die Ermittler von einem erfolgreichen Zugriff auf die Daten der Ministerin ausgingen.
Dass die Landesregierung ihren Hacker-Fehlalarm erst mehrere Wochen, nachdem sie selbst davon wusste, eingeräumt hat, erklärte Lienenkämper damit, dass das Ermittlungsverfahren offiziell noch immer nicht abgeschlossen ist. Gleichwohl informierten die Ermittler die Ministerin schon am 29. März und nochmals am 18. April darüber, dass sie nicht mehr von einem Hacker-Angriff ausgingen. Diese Informationen habe auch die Landesregierung jeweils „zeitnah“erhalten, so Lienenkämper.