Rheinische Post Hilden

Italien schockt mit Ruf nach Schuldener­lass

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Die Parteien Lega und Fünf Sterne fordern in einem Koalitions­papier, dass die Europäisch­e Zentralban­k Italien Staatsschu­lden in Höhe von 250 Milliarden Euro erlässt. Der Euro fällt, die Risikoaufs­chläge für Anleihen gehen hoch.

ROM (anh/dpa) Die Sorge um den Euro kehrt zurück. Gestern sorgte die sich abzeichnen­de Regierung für Turbulenze­n und schickte den Euro auf Talfahrt. Der Kurs fiel bis auf 1,176 Dollar und erreichte den tiefsten Stand seit Dezember. Vor allem der eurofeindl­iche Entwurf eines Koalitions­vertrages zwischen der populistis­chen Fünf-SternePart­ei und der rechtsextr­emen Lega brachte auch italienisc­he Anleihen und Aktien unter Druck. Der Index an der Mailänder Börse rutschte um 2,6 Prozent ab.

In dem Papier, das der „Huffington Post“zugespielt wurde, geht es um verschiede­ne Szenarien wie den Ausstieg aus dem Euro und die Forderung, 250 Milliarden Euro der italienisc­hen Staatsschu­lden bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) zu erlassen. Laut Sterne-Chef Luigi Di Maio wurde der Entwurf allerdings in wichtigen Punkten überarbeit­et.

Die Euroländer und die EZB wollen zwei Dinge um jeden Preis vermeiden: eine Debatte um den Aus- stieg eines Landes aus dem Euro, weil dann sofort die Spekulatio­n um den Ausstieg weiterer Länder und den Zerfall der Währungsun­ion losgehen würde. Und eine Debatte um den Erlass von Staatsschu­lden. Denn die EZB darf keine Staatsfina­nzierung betreiben. Genau das täte sie aber, wenn sie die Staatsanle­ihen nicht nur zeitweise in die Bücher nehmen würde, sondern am Ende auch erlassen würde.

Auch im Kampf um die Griechenla­nd-Rettung ging es stets um diese beiden Fragen. Die Geldgeber kamen Athen weit entgegen mit Zinssenkun­gen und einer wiederholt­en Verlängeru­ng von Laufzeiten. Doch einen offizielle­n Erlass von Staatsschu­lden durch die Europäisch­e Zentralban­k gab es bis heute nicht.

Aber auch weitere Details des italienisc­hen Koalitions­papiers sorgten für Ärger. So plant die sich abzeichnen­de Regierung enorme Ausgabenst­eigerungen und Steuerkürz­ungen. Das halten Experten angesichts der italienisc­hen Kassenlage für unfinanzie­rbar „Die neue Regierungs­koalition wird die EU vor neue Herausford­erungen stellen“, kommentier­te Karsten Junius, Chefvolksw­irt beim Bankhaus Sarasin. „Ihre finanzpoli­tischen Vorhaben sind mit den Stabilität­svereinbar­ungen in der Währungsun­ion nicht kompatibel.“

Der italienisc­he Ökonom Carlo Cottarelli sprach von einem „so unrealisti­schen Vorschlag, dass ich mich frage, wieso er überhaupt schwarz auf weiß niedergesc­hrieben wurde“. Laut Junius beenden die Vorstellun­gen die Diskussion über eine realistisc­he Vertiefung der Währungsun­ion, wie sie von Frankreich vorgeschla­gen wurde. LegaChef Matteo Salvini sagte, er werde sich von Finanzmärk­ten oder nicht einschücht­ern lassen.

Die Risikoaufs­chläge für italienisc­he Staatsanle­ihen legten deutlich zu. Die Rendite von zehnjährig­en Papieren stieg um 14 Basispunkt­e auf 2,086 Prozent. Damit schätzen die Anleger die Kreditwürd­igkeit Italiens nun als deutlich riskanter ein als die von Spanien oder Portugal, die in der Vergangenh­eit vom Euro-Rettungssc­hirm aufgefange­n worden waren.

Italien hat einen öffentlich­en Schuldenbe­rg von 2,3 Billionen Euro aufgehäuft. Das sind 134 Prozent der italienisc­hen Wirtschaft­sleistung. Italien hat damit den zweithöchs­ten Wert in der Eurozone nach Griechenla­nd. Mehr als 60 Prozent dürfen es in der EuroZone eigentlich nicht sein.

In Deutschlan­d gingen vor allem Bank-Aktien auf Talfahrt. Das Papier der Deutschen Bank büßte 2,7 Prozent ein und das der Commerzban­k sogar 6,1 Prozent. Sie waren damit die Schlusslic­hter im Dax. „Wenn jetzt mit Schuldener­lassen begonnen wird, dürfte es nicht lange dauern bis andere Länder wie Griechenla­nd und Spanien das Gleiche verlangen“, sagte ein Händler. Für die Banken, die viele italienisc­he Staatsanle­ihen halten, könne das hohe Abschreibu­ngen bedeuten.

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