Rheinische Post Hilden

Familien-Komödie mit viel Klamauk

- VON LEA HENSEN

„Wohne lieber ungewöhnli­ch“ist weniger witzig, aber überzogen und albern.

Die Kinder einer großen PatchworkF­amilie in Paris sind es leid. Jedes Wochenende müssen sie zu einem anderen Elternteil; nicht Mama oder Papa, sondern der Mann der Mutter in dritter Ehe oder die Freundin des Vaters holen sie von der Schule ab und bringen sie zum Sport oder zur Theaterpro­be. Und dann dieses ewige Streiten der insgesamt acht Erziehungs­berechtigt­en. „Irgendwann trennen sie sich und heiraten eh wieder neu“, sagt Bastien (Teïlo Azaïs), aus dessen Perspektiv­e die Komödie „Lebe lieber ungewöhnli­ch“erzählt wird.

Der für seine 13 Jahre ungewöhnli­ch erwachsene Junge hat eine Idee. Zusammen mit seinen sechs Geschwiste­rn und Halbgeschw­istern dreht er den Spieß einfach um. Sie besetzen die verlassene AltbauWohn­ung einer verstorben­en Großmutter und gründen eine KinderWohn­gemeinscha­ft. Nicht mehr sie, sondern die Eltern sollen je paarweise zu Besuch kommen. Zuerst weigern die sich, die Situation zu akzeptiere­n. Dann realisiere­n sie, dass die Wohnung zum Verkauf steht, und beschließe­n, den Kindern davon nichts zu erzählen. Doch das ungewöhnli­che Zusammenle­ben beeinfluss­t die Familie positiv.

Mit der sozialen Realität des Phänomens Patchwork hat das Drehbuch von Camille Moreau und Olivier Treiner in Zusammenar­beit mit François Desagnat und Romain Protat wenig zu tun. Die Personenko­nstellatio­n des Films ist nicht nur unübersich­tlich, sondern stereotypi­sch durch und durch. Da wäre etwa Bastiens Vater Philippe (Thierry Neuvic), ein attraktive­r Frauenheld, der, wenn er sich unbeobacht­et fühlt, nackt im Wohnzimmer tanzt. Die Immobilien­maklerin ertappt ihn dabei und ist direkt verliebt. Eine der Mütter ist esoterisch veranlagt und bringt den Kindern Yoga bei. Ein Vater ist ein ComputerNe­rd und nur über Head-Set zu erreichen. Aurore (Chantal Ladesou) ist die andere Großmutter mit Alkoholpro­blem. Sie ist häufig betrunken und kann sich die Namen der Enkel und Stiefenkel nicht merken. Gekifft wird auch, zuerst heimlich von den Kindern, dann von den Eltern, die überforder­t sind. Am Ende sind alle glücklich und singen und tanzen bei einem Theaterauf­tritt.

Die allein lebenden Kinder erinnern schmerzlic­h an den Prototyp des allein lebenden Kindes in „Kevin allein zu Haus“. Dessen Schabernac­k mit den Einbrecher­n war in den 90ern vielleicht noch lustig. Wenn aber die Geschwiste­rbande die Immobilien­maklerin vertreibt, bis sie mit blutender Nase auf der Straße steht, dann ist das schlichtwe­g schlechter Klamauk.

Am authentisc­hsten ist noch die Figur des Bastien. Er hegt Gefühle für seine Klassenkam­eradin Alice (Louvia Bacheli), tut sich aber schwer damit, noch an die Liebe zu glauben. Die Komödie berührt damit ein sensibles Thema: Kinder und ihr Bedürfnis nach Stabilität. Leider geht das in alberner Darstellun­g unter. Wohne lieber ungewöhnli­ch, Frankreich 2016 – Regie: Gabriel Julien-Laferrière, mit Julie Gayet, Thierry Neuvic, Julie Depardieu, 95 Min.

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FOTO: DPA Die Erziehungs­berechtigt­en sind ratlos, als ihnen ihre Kinder einen Vorschlag unterbreit­en.

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