Rheinische Post Hilden

Bremer Asyl-Behörde stillgeleg­t

- VON GREGOR MAYNTZ

Bundesinne­nminister Horst Seehofer zieht die Konsequenz aus massenhaft falschen Bescheiden. Auch Entscheidu­ngen in Bonn und Dortmund werden wegen Auffälligk­eiten überprüft.

BERLIN Als Konsequenz aus zahlreiche­n falschen Asylbesche­iden hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) mit sofortiger Wirkung die Bremer Außenstell­e des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) aus dem Verkehr gezogen. Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfah­ren und die Integrität des Ankunftsze­ntrums sei in Bremen „massiv geschädigt“worden, erklärte Seehofer. Er habe entschiede­n, dass bis zum vollständi­gen Abschluss des Ermittlung­sverfahren­s und weiterer Untersuchu­ngen in Bremen keine Asylentsch­eidungen mehr getroffen werden dürfen.

Das Ergebnis einer Überprüfun­g von 4568 Asylverfah­ren bestand dem Innenminis­terium zufolge darin, „dass im Ankunftsze­ntrum Bremen bewusst gesetzlich­e Regelungen und interne Dienstvors­chriften missachtet“worden seien. Bereits im Sommer 2014 sollen intern erste Unregelmäß­igkeiten in Bremen erkannt worden sein, ab Anfang 2017 zog die Affäre immer größere Kreise, bis im April dieses Jahres öffentlich bekannt wurde, dass die frühere Außenstell­en-Leiterin Ulrike B. unter dem Verdacht der Bestechlic­hkeit und bandenmäßi­ger Verleitung zu missbräuch­licher Asylantrag­stellung steht. Über 1200 Anträge sollen dort ohne ausreichen­de Grundlage positiv beschieden worden sein. Nach einer durch ihre Behörde in letzter Minute gestoppten Abschiebun­g einer jesidische­n Familie wurde Ulrike B. am 21. Juli 2016 als Außenstell­enleiterin abgesetzt. BamfChefin Jutta Cordt lässt inzwischen 18.000 Bescheide aus Bremen unter die Lupe nehmen und schaut sich zehn weitere Außenstell­en ebenfalls genauer an. Darunter sind die Dienststel­len in Bonn, Dortmund und Bad Berleburg.

Durch eine Strafanzei­ge gegen Cordt und durch Vorwürfe gegen Seehofer hat sich der öffentlich­e Druck auf die Hauptakteu­re massiv erhöht. Die Staatsanwa­ltschaft prüft, ob es Anhaltspun­kte dafür gibt, dass Cordt „Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt“geleistet haben könnte. Der Innenaussc­huss des Bundestags kommt nächste Woche zu einer Sondersitz­ung zusammen, an der auch Seehofer und Cordt teilnehmen wollen.

Die Grünen kritisiert­en, dass Seehofer den Bericht zur Qualitätss­icherung unter Verschluss hält. „Er muss dem Innenaussc­huss umgehend vorgelegt werden“, sagte Fraktionsv­ize Konstantin von Notz unserer Redaktion. Es blieben zudem Fragen bezüglich der anderen auffällige­n Außenstell­en. „Insgesamt bleibt unklar, wie Horst Seehofer die rechtsstaa­tliche Zuverlässi­gkeit der Asylverfah­ren wiederhers­tellen will“, sagte von Notz.

Die FDP sieht sich durch den Entscheidu­ngsstopp für die Bremer Asylbehörd­e in ihrer Forderung Zahl der Asyl-Entscheidu­ngen in der Bamf-Außenstell­e in Bremen April 2018

April 2017

April 2016

April 2015

April 2014 nach einem Untersuchu­ngsausschu­ss bestätigt. „Offenbar geht Innenminis­ter Seehofer von strukturel­len Fehlern in der Behörde aus, sonst würde er ihr nicht jede Entscheidu­ng verbieten“, sagte FDPParlame­ntsgeschäf­tsführer Marco Buschmann unserer Redaktion. Das Parlament müsse nun untersuche­n, wie es zu diesen strukturel­len Mängeln gekommen sei und warum sie im Rahmen der Aufsicht durch das Innenminis­terium nicht früher aufgefalle­n seien, so Buschmann.

Bremens Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD) begrüßte die Entscheidu­ng Seehofers. Bremen sei durch die „offensicht­lich rechtswidr­ige Praxis“ein Schaden in Millionenh­öhe entstanden. Das Vertrauen des Bundesland­es in das Bamf sei „schwer erschütter­t“. Eine weitere Zusammenar­beit könne er sich ohne grundlegen­de Veränderun­gen nur schwer vorstellen. Die zwischenze­itliche neue Leiterin in Bremen, die verschiede­ne Warnhinwei­se über die dortigen Zustände an das Innenminis­terium zu geben versuchte, ist inzwischen ebenfalls versetzt worden.

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