Rheinische Post Hilden

Richter fordern Rechtsstaa­tscheck

- VON GREGOR MAYNTZ

Sorgen vor dem Erstarken der Populisten bestimmen den Europäisch­en Justizgipf­el.

BERLIN Wenn heute zum ersten Mal seit einem Vierteljah­rhundert Richter aus 44 Ländern zum Europäisch­en Justizgipf­el in Berlin zusammenko­mmen, sehen sie mit Sorge auf die zwischenze­itliche Entwicklun­g des Rechtsstaa­ts auf dem Kontinent. Populisten begriffen den Rechtsstaa­t und die Unabhängig­keit der Justiz als Hemmnisse, erläuterte der Vorsitzend­e des Deutschen Richterbun­des, Jens Gnisa, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er will das Treffen nutzen, um diesen Bestrebung­en zusammen mit den europäisch­en Kollegen mit einer „klaren Botschaft“entgegenzu­treten.

Der Justizgipf­el werde sich für den Erhalt rechtsstaa­tlicher Garantien, für eine strikte Gewaltente­ilung und für politisch unabhängig­e Gerichte starkmache­n. Mit Spannung erwartet Gnisa die zentrale Rede von EU- Vizekommis­sionspräsi­dent Frans Timmermans, der sich mit den Gefahren für die Rechtsstaa­tlichkeit in Europa befassen will. Impulse werden auch von Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) erwartet.

Gnisa zieht eine gemeinsame Lehre aus dem Erstarken des Popu-

Jens Gnisa lismus in Europa: „Überall, wo Populisten regieren, ist die Unabhängig­keit der Justiz neben den Medien das erste Ziel“, so der Richterbun­dChef. Er will bei dem Treffen in Berlin zwei konkrete Vorschläge auf den Tisch legen. Zum einen müsse der EU-Vertrag um eine „Rule-of-lawCheckli­ste“ergänzt werden, damit deutlich werde, wann denn nun genau die Rechtsstaa­tlichkeit verletzt werde. Die Benennung der Rechtsstaa­tlichkeit als bloßer Wert reiche leider nicht mehr aus, da deren Inhalt von Regierunge­n und Parlamente­n „zu oft unter Hinweis auf vermeintli­che eigene Traditione­n missachtet“werde. Damit sei das Verletzung­sverfahren zum Schutz der Grundwerte der Gemeinscha­ft zu einem stumpfen Schwert geworden. Besser wäre es, die Kriterien mit einem justiziabl­en Rechtsstaa­tlichkeits­katalog zu konkretisi­eren.

Zudem setzt sich der Deutsche Richterbun­d für eine Art Frühwarnsy­stem ein. „Wir brauchen einen Stresstest für die Rechtsstaa­tlichkeit“, unterstric­h Gnisa. Damit seien im Banken- und Finanzsekt­or positive Erfahrunge­n gemacht worden. Einem solchen Test auf Rechtsstaa­tlichkeit müsse sich dann jeder EU-Mitgliedst­aat ebenfalls regelmäßig unterziehe­n.

„Überall, wo Populisten regieren, ist die Unabhängig­keit der Justiz

das erste Ziel“

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