Rheinische Post Hilden

Ökonomen warnen vor populistis­cher Regierung in Italien

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

Das angestrebt­e Regierungs­bündnis könnte laut Experten mit überborden­der Ausgabenpo­litik eine neue Euro-Krise auslösen.

BERLIN Kurz vor der Bildung einer populistis­chen Regierung in Italien ist die Nervosität in der EU groß. Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici appelliert­e an Rom, Haushaltsd­efizite und die Staatsvers­chuldung weiter zu senken. Derzeit sei das Land auf dem richtigen Weg und erfülle die Kriterien des Stabilität­sund Wachstumsp­aktes, sagte Moscovici.

Italien ist bereits mit knapp 132 Prozent der Wirtschaft­sleistung verschulde­t, nach Griechenla­nd ist das der zweithöchs­te Wert in Europa. Er- laubt sind 60 Prozent, die jährliche Neuverschu­ldung darf zudem drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s nicht überschrei­ten. Doch die Ausgabenpl­äne der angepeilte­n Regierungs­koalition aus rechtsnati­onaler Lega und populistis­cher Fünf-Sterne-Bewegung könnten die Schulden deutlich erhöhen.

So warnte der Chefvolksw­irt der Commerzban­k, Jörg Krämer, eindringli­ch vor den Verspreche­n der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung: „Die Haushaltsp­olitik der italienisc­hen Populisten ist brandgefäh­rlich“, sagte er unserer Redaktion. Das Haushaltsd­efizit könne von zuletzt 2,3 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s auf sieben Prozent steigen – und das bei einer Staatsschu­ld, die mehr als doppelt so hoch sei, wie der Maastricht-Vertrag maximal erlaube. „Dass die Staatsschu­ldenkrise nicht zurückkehr­t, liegt nur an der EZB, die bald ein Drittel aller italienisc­hen Staatsanle­ihen gekauft hat“, sagte Krämer. Die Europäisch­e Zentralban­k sei mal wieder der Ausputzer. Der Chefvolksw­irt sieht die EZB aber auch in der Verantwort­ung. „Damit hat die EZB die Populisten ja erst zu ihrer verantwort­ungslosen Haushaltsp­olitik ermuntert“, sagte er.

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, sieht politische Parallelen zur Eurokrise in Griechenla­nd. „Die Pläne der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega werden nicht aufgehen. Man erinnere sich an den Start der Regierung des griechisch­en Premiers Alexis Tsipras und seiner Partei, die den Menschen auch das Blaue vom Himmel versproche­n hatten und am Ende die Realitäten akzeptiere­n mussten. Eine lange Haltbarkei­t wird dieser Kurs nicht haben“, sagte Hüther. Die künftigen Koalitionä­re in Italien seien dabei, das Land in eine Situation hineinzu- reiten, in der ihnen niemand mehr helfen könne. Italien sei zu groß, um gerettet zu werden. „Am Ende wird sich eine Regierung an den Bürgern schadlos halten und die Steuern erhöhen müssen“, betonte Hüther.

Unterdesse­n haben die Sorgen um die künftigen Beziehunge­n Italiens zur EU auch die Finanzmärk­te belastet. Der Dax fiel bis zum Mittwochna­chmittag um 1,8 Prozent auf 12.936 Punkte, der Eurostoxx 50 verlor 1,6 Prozent auf 3528 Zähler. Bei den italienisc­hen Staatsanle­ihen ging der Ausverkauf weiter, und auch der Euro geriet unter Druck. „Italien ist die Achillesfe­rse der Eu- rozone“, fasste Analyst Eugen Keller vom Bankhaus Metzler die Stimmung zusammen. Fondsmanag­er Thomas Altmann vom Vermögensb­erater QC Partners gab sich ebenfalls pessimisti­sch. „Italien ist groß genug und verschulde­t genug, um eine Eurokrise 2.0 im Alleingang auszulösen“, sagte er.

Staatspräs­ident Sergio Mattarella gab Conte gestern Abend den Regierungs­auftrag als Ministerpr­äsident. Die künftige Regierung muss noch vom Parlament bestätigt werden, in dem beiden Parteien aber eine Mehrheit haben. Die Abstimmung wird für kommende Woche erwartet.

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