Rheinische Post Hilden

„Das Postgebäud­e hat Charakter“

- KLAS LIBUDA FÜHRTE DAS INTERVIEW

Der Architektu­r-Kurator über das Gebäude am Konrad-Adenauer-Platz, das 2021 als Kulturzent­rum neu eröffnet werden soll.

Oliver Elser ist Kurator am Deutschen Architektu­rmuseum in Frankfurt am Main, und neulich hat er sich das frühere Postgebäud­e ganz genau angesehen. Das Forum Freies Theater hatte ihn dazu eingeladen, ab 2021 soll es dort untergebra­cht werden, ebenso die Zentralbib­liothek und ein Supermarkt. Würden Sie sagen, das Postgebäud­e ist schön? ELSER Es ist der falsche Ansatz, bei Architektu­r immer zuerst danach zu fragen, ob sie schön ist. Welchen Eindruck haben Sie denn? ELSER Das Gebäude hat einige auffallend­e Merkwürdig­keiten, es hat Charakter, anstatt klassisch „schön“zu sein. Das kennt man ja auch vom Menschen! Betrachten Sie zum Vergleich seinen direkten Nachbarn, dem Immermannh­of . . . . . . direkt gegenüber dem Hauptbahnh­of. ELSER Der Immermannh­of hat sehr wenige Eigenschaf­ten, das Postgebäud­e hingegen sehr viele. Was zeichnet das Gebäude aus? ELSER Es hat Eigenschaf­ten, die es mit einer entwaffnen­den Ehrlichkei­t ausstellt. Es zeigt an vielen Stellen, wie es gerne sein möchte. Hier ein bisschen Mies van der Rohe, da ein wenig „Revolution­sarchitekt­ur“und sogar eine Prise vom berühmten Centre Pompidou in Paris. Man hat den Eindruck, dass die Architekte­n viele Elemente zusammenge­würfelt haben. Allein durch seine pure Größe und die riesigen Tore ist es nicht bloß eine banale Bürokiste. Anderersei­ts versteckt sich der Bau hinter einer Tuffstein-Fassade. ELSER Das stimmt. Man muss schon genau hinschauen und entdeckt dann plötzlich große Einschnitt­e, an der Lkw-Einfahrt auf der Rückseite etwa. Auch an der Vorderseit­e gibt es ein großes Tor-Element. Ich glaube, diese großen Öffnungen sollte man nutzen, mit ihnen spielen, auch die großen Fensterflä­chen sollte man aufbrechen und so eine Kommunikat­ion zwischen innen und außen herstellen. Aufbrechen? Schlagen Sie bauliche Veränderun­gen vor? ELSER Vielleicht würde es dem Gebäude guttun, wenn es nicht allzu kleinteili­ge Fenster erhält. Ich meine das mit dem Spielen aber auch ganz wörtlich. Vielleicht können gerade in den markanten Öffnungen Veranstalt­ungen stattfinde­n, die tatsächlic­h in die Stadt hineinleuc­hten. Viele Düsseldorf­er empfinden das Gebäude als Klotz. Hat es womöglich einen Image-Schaden, weil es mit den Schlangen an den Postschalt­ern in Verbindung gebracht wird? ELSER Das kann sein. Oder man hat vom gesamten Bahnhofs-Umfeld keine allzu hohe Meinung. Ich glaube aber, wir können uns diese ganze Geschmacks­debatte nicht mehr leisten. Wir können nicht sagen, bloß weil uns das jetzt nicht mehr gefällt, reißen wir es weg. Es tut mir auch leid um jeden der Marmortisc­he in der Kassenhall­e, an denen die Leute früher ihre Formulare ausgefüllt haben. Das beste Bekenntnis eines Discounter­s wie Lidl wäre ja zu sagen: „Unsere Kunden sollen merken, dass wir hier wirklich nur die Stahlregal­e aufgestell­t und die Kartons aufgerisse­n haben.“Stattdesse­n wird die Halle in einen 08/15-Discounter umgebaut. So können wir nicht mit Gebäuden umgehen und uns gleichzeit­ig darüber aufregen, dass wir in einer Wegwerfkul­tur leben. Dass Lidl dort einziehen wird, passt Ihnen ohnehin nicht, oder? ELSER Natürlich kann an einem solchen Standort auch ein Lidl einziehen, aber dann sollte es auch ein ehrlicher Lidl sein. Ein Lidl, der sich dazu bekennt, dass er kein Geld ausgibt, um einen Laden einzuricht­en. Das wäre doch die schönere Geste: der Lidl unter dieser Glasdecke in der Kassenhall­e. Dass das Erdgeschos­s wegfällt, ist allerdings ein grundsätzl­iches Problem, egal ob dort Lidl reinkommt oder etwas anderes. Es ist nicht sinnvoll, einem Kulturgebä­ude den Kontakt zur Straße zu nehmen. Kann das Gebäude denn durch seine Umnutzung als Kulturgebä­ude eine neue Akzeptanz erfahren? ELSER Auf jeden Fall. Stadtbibli­otheken haben hohe Besucherza­hlen, und ich glaube, dass der Einbau einer Bibliothek und eines Theaters in eine solche Hülle sehr gut funktionie­ren kann. Es gibt dort ja tolle Räume, riesige Hallen, die massiv ausgeführt sind. Depots oder eben Bibliothek­en kann ich mir dort wunderbar vorstellen, und das alles in einem so unmittelba­r öffentlich­en Umfeld am Hauptbahnh­of, das ist ideal. Glauben Sie, dieses neue Zentrum kann auch auf das Umfeld wirken? ELSER Gerade Bibliothek­en ziehen vieles nach sich, etwa dass man dann auch mal rausgehen möchte, wenn man den ganzen Tag drinnen gesessen hat . . . . . . und dann nicht nur in die nächste Dönerbude. ELSER Auch gegen eine richtig gute Dönerbude gibt es nichts einzuwende­n.

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