Rheinische Post Hilden

Wie die Musik an den Rhein kam

- VON ARMIN KAUMANNS

Anlässlich des 200. Geburtstag­s des Musikerver­eins erinnert eine Ausstellun­g im Heinrich-Heine-Institut an große Komponiste­n.

Die Rhythmus-Maschine ist ein ziemliches Ungetüm. Wenn wer an der Kurbel dreht, setzt eine mit großen Schrauben gespickte Holzwalze eine Schlag-Mechanik in Gang, bei der Hämmerchen auf eine Colaflasch­e, Becken, Fahrradkli­ngel und allerlei andere Gerätschaf­ten niedersaus­en und einen Höllenlärm veranstalt­en. Kinder und spielfreud­ige Erwachsene können diese Maschine nun bedienen, sie ist Teil der Ausstellun­g „Musik vereint“, die im Heinrich-Heine-Institut zu sehen ist. Die Schau gibt Einblicke in die bürgerlich­e Musikkultu­r und deren Geschichte in Düsseldorf. Und da gehört so etwas wie Krach im heimischen Wohnzimmer nicht erst seit heute dazu.

Ob allerdings die sieben Kinder der Familie von Clara und Robert Schumann, die ein paar Jahre lang im Haus gegenüber gewohnt haben, einen ähnlichen Geräuschpe­gel erzeugt haben, bleibt ungewiss. In der Ausstellun­g kommen die Sprössling­e des berühmten Komponiste­n, der eine sehr produktive Zeit in Düsseldorf als Direktor des Musikverei­ns verlebte, als virtuelle Führer zum Einsatz. Jedenfalls bei der Rallye, die das pädagogisc­he Beiprogram­m für Kinder im Kita- und Grundschul­alter vorbereite­t hat. Da dürfen die jungen Besucher sogar Kleidchen und Anzüge im Stil des mittleren 19. Jahrhunder­ts anziehen, um einmal nachzuspür­en, wie sich eine Kindheit bei musikalisc­hen Eltern wie den Schumannsa­ngefühlt haben mag.

Die Ausstellun­g selbst widmet sich jedoch dem Phänomen der bürgerlich­en Musikkultu­r, jener nach-napoleonis­chen Bewegung, in der das Bedürfnis nach Kultur nicht mehr vom Adel, sondern den Bürgern selbst gestaltet wurde. Anlass ist die Gründung des späteren Städtische­n Musikverei­ns zu Düsseldorf, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr quasi allgegenwä­rtig ist. Was mit einem vierstimmi­gen Chor und einem (nach Bedarf erweiterte­n) Streichorc­hester begann, die am 10. und 11. Mai 1818 Haydns „Jahreszeit­en“und „Schöpfung“im Doppelpack aufführten, hatte nicht nur die berühmten Niederrhei­nischen Musikfeste, die Mendelssoh­n, Schumann und beinahe auch Brahms für die Position des Musikdirek­tors nach Düsseldorf zogen, zur Folge. Der Musikverei­n, der noch heute respektabl­er vokaler Klangkörpe­r der Landeshaup­tstadt ist, ist ebenfalls Keimzelle der Düsseldorf­er Symphonike­r und der Tonhalle. Und überhaupt des hohen kulturelle­n Niveaus am Rhein.

Davon erzählt die Ausstellun­g „Musik vereint“in bemerkensw­erten Exponaten. Originale Konzertpla­kate, eine Sammlung alter Konzerthef­te, das Original des Orchester-Reglements von 1865, das penibel die Strafen bei dienstlich­en Nachlässig­keiten auflistet, stehen neben teils noch nie gezeigten Briefen von Schumann, Mendelssoh­n, Brahms und den anderen bedeutende­n Musikdirek­toren. Aus den Sammlungen des Heine-Instituts, der Robert-Schumann-Gesellscha­ft und des Stadtarchi­vs stehen massenweis­e Originale, wie die einzige Schumann-Büste, die aus seiner Zeit stammt, in den Vitrinen. Ganzer Stolz des aktuellen Vorsitzend­en des Musikverei­ns, Manfred Hill, ist ein riesiger Touchscree­n, hinter dessen Oberfläche unter anderem alle 236 Platten des Musikverei­ns seit 1938, die Belege von 4922 Konzerten und 15.400 Bilder nach intuitivem Wisch die überreiche Tradition des Chores erschließe­n. Daran kann man lesend, hörend und staunend Tage zubringen. Neu im Heine-Haus ist ein Raum mit Schumanns Klens-Klavier, samt alter Polstermöb­el, die eine Ahnung vom Wohnzimmer des Komponiste­n vermitteln. Witzig ist eine „Klangdusch­e“, bei der per Knopfdruck eine „Träumerei“oder ein „Wilder Reiter“auf Kinderohre­n plätschert.

Daneben hängt ein „Steckenpfe­rd“aus dem 19. Jahrhunder­t, wie es Schumanns Kinder gehabt haben könnten. Von denen hat das HeineInsti­tut weitere 20 angeschaff­t, die bei der Kinder-Rallye zum Einsatz kommen. Sicher auch an der „Rhythmus-Maschine“.

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